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Weg mit den Pillen

Weg mit den Pillen

Titel: Weg mit den Pillen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Walach
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Wir sind zurück beim Wirksamkeitsparadox: Etwas wirkt, unter Umständen besser als die konventionelle Therapie, und ist also in diesem Sinne klinisch wirksam, obwohl es in einem wissenschaftlich-experimentellen Sinne nicht als wirksam belegt ist.
    Dies ist auch ein Problem unserer Forschungsmethodik. Weil wir nur auf die Unterscheidbarkeit einer Therapie von Placebo achten, und weil Placebo ein sich verändernder Maßstab ist, darum übersehen wir gerne Effekte wie den der Homöopathie – mit dem Argument, alles sei ja doch nur Placebo.
    Ich habe gesagt, es sei schwierig, die Überlegenheit homöopathischer Therapie über Placebo zu sichern und ihre Verschiedenheit von Placebo – ich habe nicht gesagt, es sei unmöglich. Es gibt nämlich durchaus Hinweise darauf, dass Homöopathie von Placebo verschieden ist. Oben erwähnte ich kurz unsere eigenen Befunde. Aber es gibt mittlerweile über 200 klinische, placebokontrollierte Studien zu irgendwelchen homöopathischen Arzneien bei irgendwelchen Störungen. Wenn man diese alle in einer sogenannten Metaanalyse zusammenfasst, also einer statistischen Übersicht aller Daten, dann sieht man, dass sich ein Unterschied zu Placebo zeigen lässt.
    Die konventionelle Geschichte, die man überall zu hören bekommt, lautet allerdings, dass dies nicht der Fall sei. Dann wird die letzte große Studie dieser Art zitiert, die von Shang und Kollegen 2005 im bedeutsamen Journal Lancet publiziert wurde. 102 Dort wurde Folgendes gemacht: All diese mehr als 200 Studien wurden zusammengetragen. Dann wurden sie der Güte und der Größe nach geordnet. Dann nahm man die acht größten und besten Studien
und suchte zu diesen Studien Partnerstudien aus der konventionellen Literatur, also solche, bei denen das gleiche Krankheitsbild konventionell behandelt wurde. Dann wurde untersucht, ob sich bei den konventionellen und bei den ausgewählten homöopathischen Studien ein Unterschied zu Placebo zeigte. Bei den konventionellen sah man ihn, bei den homöopathischen nicht. Das Ergebnis: Homöopathie ist Placebo. Jetzt ist es offiziell, denn im Lancet steht’s zu lesen.
    Wir und andere haben gegen dieses Ergebnis protestiert und Briefe an Lancet geschrieben, die auch gedruckt wurden. 103 Die Studie hatte nämlich nur unvollständige Daten publiziert und die acht Studien, auf denen ihre Schlussfolgerungen basierten, nicht genannt. Zudem hatte sie die Kriterien nicht offengelegt und damit eigentlich die Publikationsstandards missachtet, die der Lancet selbst veröffentlicht hatte. Das ist in meinen Augen bereits ein deutliches Zeichen für Einseitigkeit im Gutachter- und Publikationsprozess. Der Protest fruchtete. Die Autoren stellten irgendwann die Information über diese Studien auf ihrer Webseite zur Verfügung, und Kollegen rechneten die Metaanalyse nach. Das Interessante an dem Ergebnis ist: Wenn man nun nicht nur acht von den 200 Studien, sondern vielleicht neun, zehn, elf, zwölf oder noch mehr Studien in die Analyse mit einbezieht, dann verändert sich das Bild plötzlich und Homöopathie lässt sich sehr wohl von Placebo unterscheiden. 104 Nur hat leider niemand mehr diese Information, die ja eigentlich erstens neuer und zweitens wissenschaftlich viel interessanter ist, zur Kenntnis genommen. Warum wohl? Shang und Kollegen haben auch nie begründet, warum sie nur die ersten acht und eben nicht die ersten neun oder zehn in die Analyse eingeschlossen haben. Warum nicht? Ganz einfach: Es gibt keinen wirklichen Grund. Die achte Studie, die in die Analyse von Shang eingeschlossen worden war, war unsere eigene, oben zitierte Kopfschmerzstudie. Wenn man formale Kriterien angelegt hätte und gesagt hätte, man nimmt alle Studien über 100 Teilnehmer, hätte man diese nicht nehmen dürfen, denn wir hatten nur 98 Studienteilnehmer. Allerdings ist unsere Studie diejenige mit dem absolut schlechtesten
Ergebnis für die Homöopathie. Es gibt, soweit ich weiß, in der gesamten homöopathischen Literatur keine andere, die ein so schlechtes Ergebnis für die Homöopathie erbracht hat. Wenn man diese Studie in eine Metaanalyse einschließt, dann wird das Ergebnis natürlich negativ. Nimmt man anschließend wieder ein paar positivere mit hinein, ändert sich das Bild wieder. Warum also hier aufhören und nicht noch weiter schauen?
    Der Disput ist offen, ob Homöopathie und Placebo verschieden sind. Inzwischen müssen wir pragmatische Entscheidungen treffen. Angesichts der Tatsache, dass Homöopathie sehr gut

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