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Weg mit den Pillen

Weg mit den Pillen

Titel: Weg mit den Pillen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Walach
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eine Gruppe wusste, dass sie im Moment definitiv nicht behandelt wurde und warten musste. Etwa drei Viertel der Patienten waren also der Meinung, jetzt würden sie möglicherweise behandelt. Und völlig unabhängig davon, ob diese Behandlung nun stattfand oder nicht, besserten sich die Beschwerden einer ganzen Reihe von Patienten, nämlich 22 Prozent,
drastisch. Die Effektgröße betrug bis zur Nachuntersuchung nach über einem Jahr 1.2. Das ist mehr als eine Standardabweichung. Erinnern wir uns: Die Effektstärke von Aspirin zur Verhütung von Herzinfarkt ist 0.05, die von Antidepressiva bei Depressionen ist 0.35. Bei unserer Studie war also ein dramatisch großer Effekt nachweisbar. Dies waren die Patienten, bei denen wirklich nach mehr als einem Jahr eine klinisch bedeutsame Besserung feststellbar war. Interessanterweise war genau die Hälfte davon in der Gruppe, die behandelt wurde, und die andere Hälfte in der Gruppe, die nicht behandelt wurde. Aber beide Patientengruppen hatten geglaubt , dass sie behandelt würden. 105
    Noch einmal: Ob jemand eine deutliche Linderung der Beschwerden verspürte oder nicht, hing nicht so sehr davon ab, ob er behandelt worden war oder nicht, sondern ob er geglaubt hatte behandelt worden zu sein. Eine Patientin schrieb uns ergreifende Briefe. Ihr Leben habe sich völlig verändert, obwohl sie vorher kurz davor war, alles aufzugeben. Sie habe wieder einen Beruf ergriffen, ihr Familienleben habe sich geändert, alles dank der Heilerbehandlung. Es kann kein Zweifel bestehen: Diese und andere Patienten waren durch die Studie wirklich von ihrem chronischen Müdigkeitssyndrom geheilt worden.
    Dazu muss man wissen, dass dieses Krankheitsbild extrem schwer zu behandeln ist. Es nimmt in jüngster Zeit drastisch zu. Vor allem Lehrer, Ärzte, Krankenschwestern, Pfarrer, überhaupt alle Menschen in helfenden Berufen sind gefährdet – aber auch Manager und Leute, die extrem viel arbeiten und sich nie Pausen und Auszeiten gönnen. Oftmals beginnt es mit einer Infektion, einem Fieber, das unterdrückt wird. Manchmal handelt es sich um die Weiterentwicklung einer Depression. Wenn das Müdigkeitssyndrom richtig einsetzt, dann kann es sein, dass die Menschen so erschöpft sind, dass nichts mehr hilft. Keine Medizin, kein Schlafen, nichts. Selbst nach 16 Stunden Schlaf wachen sie auf und sind müde. Sie können sich mit knapper Not aufrappeln, um das Nötigste zu erledigen. Zum Arbeiten sind sie meistens nicht mehr in der Lage, und viele dieser Patienten – vor allem wenn es ernsthaft erkrankte sind –
laborieren ein Leben lang daran herum oder gehen gar in Frühpension. Manchmal finden Patienten zwar auch von selbst wieder aus der Niedergeschlagenheit heraus. Das geschieht vor allem dann, wenn sie sich entschließen, etwas zu tun, und eine Therapie beginnen. Denn sowohl Verhaltenstherapie als auch eine sich langsam steigernde Bewegungstherapie kann helfen. Ein guter Freund von mir hat sein chronisches Müdigkeitssyndrom über eine komplexe Mischung aus Homöopathie, Naturheilverfahren und Lebensstilveränderung überwinden können, leidet aber immer noch an großer Empfindlichkeit.
    Mit diesem Syndrom ist also nicht zu spaßen, und es handelt sich nicht einfach nur um Einbildung. Die Betroffenen sind richtig schwer krank. Insofern habe ich die Quote der wirklich deutlich klinisch gebesserten Patienten in unserer Studie schon als guten Erfolg gewertet. Auf was ich hier aber besonders hinweisen will, ist Folgendes: Ob die Patienten eine Besserung der Beschwerden verspürten oder nicht, hing entscheidend davon ab, was sie selbst mit sich und in sich taten. Sie entschieden sich, daran zu glauben, dass sie behandelt würden und dass eine Besserung eintreten würde. Und dann trat die Besserung auch ein. Ich weiß nicht, ob das ein Automatismus ist. Nicht immer, wenn wir glauben, wir werden geheilt, geschieht das auch. Aber ohne Glauben ist es sehr schwer, eine Besserung zu erreichen.
    Die therapeutische Kunst scheint es nun zu sein, genau diesen Funken des Glaubens zu entfachen, sodass das Feuer des Lebens und der Heilung aufflammen kann. Wie das genau gemacht wird, ist eigentlich einerlei. Wir haben oben gesehen, welche Mechanismen wir bereits kennen. Viele Wege führen nach Rom, und viele Methoden können diesen Glauben entzünden. Ob ein Patient nach einem langen Leidensweg bei einem Heiler landet, von dem er die Heilung erwartet, und deswegen nun endlich den Glauben entwickeln kann, dass Heilung

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