Wege des Herzens
gewesen war.
Ihre Mutter war
verrückt
gewesen, so lange mit ihm zusammenzubleiben. Linda hätte ihn schon viel früher aus dem Haus geworfen. Ihr Vater war so etwas von unreif, und mit Cinta, die alle nur die »Tussi« nannten, würde er auch nicht alt werden, vor allem jetzt nicht, da ein Kind unterwegs war. Eine merkwürdige Vorstellung, eine kleine Stiefschwester oder einen Stiefbruder zu bekommen. Und sobald das Baby auf der Welt war, würde ihr Vater sicher erwarten, dass sie alle um das Neugeborene herumtanzten. Doch irgendwann würde er auch daran das Interesse verlieren, so wie an allem.
»Bis dass der Tod uns scheidet oder etwas Interessanteres des Weges kommt«, so ungefähr lautete Alans Lebensphilosophie, wie Lindas Mutter einmal sarkastisch bemerkt hatte. Ihre Mutter konnte manchmal ziemlich witzig sein. Doch die meiste Zeit über benahm sie sich wie ein Feldwebel und führte den Haushalt wie ihre Tagesklinik.
Erst vor kurzem hatte sie sich einen rigiden Sparkurs angewöhnt. Im Kühlschrank war kaum noch etwas Essbares zu finden. Und andauernd ging sie Linda damit auf die Nerven, dass sie sich endlich einen Job suchen sollte. Früher war das nie ein Thema gewesen. Eigentlich hatte Linda vorgehabt, ein Jahr Auszeit zu nehmen und durch die Welt zu reisen, bevor sie sich eine Arbeit suchte. Aber ihre Mutter wollte nicht mehr mit sich reden lassen. Entweder zog Linda aus und sah sich in der Welt um, so dass ihre Mutter ihr Zimmer vermieten konnte, oder sie blieb und trug ihren Teil zum Haushaltsgeld bei.
Aber sie hatte keine Wahl. Linda hatte kein Geld, um zu verreisen, und weder Vater noch Mutter würden ihr die Tour nach Thailand, Kambodscha und Australien finanzieren, wie sie es sich erhofft hatte. Sie wollte sich auch keinen Job bei einer Behörde suchen oder für eine Bank oder eine Versicherung arbeiten. Sie teilte auch nicht die Leidenschaft ihrer Mutter für die Medizin im Allgemeinen und die Kardiologie im Besonderen. Und unterrichten wie ihre Schwester Adi wollte sie ebenfalls nicht. Sie war so anders als ihre Schwester, dass Linda sich oft fragte, ob sie nicht adoptiert worden war. Adi war so leicht zufriedenzustellen, und sie liebte diese kreischenden Kinder in der Schule. Jeden Monat gab sie ihrer Mutter einen Teil ihres Gehalts und spendete etwas zur Rettung der Wale oder Ähnliches.
Adi und Gerry sparten sogar darauf, an einen gottverlassenen Ort zu fahren und dort gegen das Abschlachten von Robben zu protestieren. Oder war es gegen das Erschrecken von Wildtieren? Unvorstellbar! Sie legten dafür
Geld
zur Seite! Hätte jemand sie dafür bezahlt, wäre Linda nicht dorthin gefahren. Denn hatte sie mal ein wenig Geld zur Verfügung, dann kaufte sie sich dafür Schuhe oder Kleider in einem Secondhandshop. Dabei hatte sie vor kurzem eine süße kleine Stola aus Fuchsschwanz gefunden, die sie natürlich gut verstecken musste für den Fall, die beiden Weltverbesserer sahen die Stola und hetzten ihr eine Meute blutrünstiger Protestierer auf den Hals. Ihrer Mutter hatte sie das gute Stück natürlich auch nicht gezeigt. Clara konnte mit so etwas nicht viel anfangen und würde sich nur wundern, woher Linda Geld hatte, um diesen unnützen Kram zu kaufen, aber nicht Geld genug, um etwas zu ihrem Unterhalt beizusteuern.
Doch mit ihrem Teilzeitjob in dem Plattenladen konnte ihre Mutter nicht mehr so viel an ihr herumnörgeln. Manchmal standen jetzt sogar ein gekochter Schinken oder ein Auflauf im Kühlschrank, wovon auch Linda etwas abbekam.
Und natürlich hatte auch das Techtelmechtel ihrer Mutter mit Peter, dem gutaussehenden Apotheker, zu Claras guter Laune beigetragen. Techtelmechtel war genau der passende Ausdruck dafür. Die beiden gingen zusammen ins Theater, machten ein Picknick oder bekochten einander zu Hause. Sie fuhren sogar gemeinsam in Urlaub nach Italien. Adi und Linda hatten Peter für den perfekten Ehekandidaten gehalten, doch plötzlich war alles zu Ende gewesen. Wahrscheinlich hatte ihre Mutter auf einem Verlobungsring bestanden. Aber selbst wenn er ihr tatsächlich den Laufpass gegeben haben sollte, war Clara bemerkenswert guter Laune und lief die ganze Zeit total aufgeregt herum wegen irgendeiner nervtötenden Geldsammelaktion in der Klinik. Linda hatte die Sache geringschätzig als Kuchenbasar bezeichnet, und ihre Mutter war hochgegangen wie eine Rakete.
»Das ist
kein
Kuchenbasar! Das ist ein ernsthafter Versuch, Geld aufzutreiben, das uns eigentlich das Krankenhaus zur
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