Wege des Herzens
uns doch in Irland. Wir würden Ihnen so gern alles Mögliche zeigen«, bat Simon.
»Wir werden für Sie da sein, so wie Sie für uns da waren«, versprach Maud.
»Warten wir doch zuerst einmal ab, bis Declan und Fiona sich auf einen Termin geeinigt haben, und dann sehen wir weiter«, schlug Vonni vor.
»Die Leute sagen immer, ›schauen wir mal‹, wenn sie ›nein‹ meinen«, grummelte Simon.
»Du bist ein guter Beobachter, Simon, und du wirst bestimmt auch mal ein guter Anwalt werden«, sagte Vonni, und in dem Moment verspürte sie eine große Nähe zu diesen beiden jungen Menschen. Es war schon eine Weile her, dass sie Nähe zu anderen Menschen zugelassen hatte.
An diesem Abend kam Takis noch auf einen Sprung bei Vonni vorbei.
»Wo sind die irischen Zwillinge?«
»Unten am Hafen, ein paar
psari
fangen. Andreas, Yorghis und ich gehen später hinunter – möchtest du vielleicht mitkommen?«
»Nein, ich muss mit dir reden.«
»O Gott.«
»O Gott, in der Tat. Also, er ist fort, er hat sich aus Großbritannien abgesetzt, obwohl er die Auflage hatte, sich regelmäßig zu melden. Wahrscheinlich ist er von einem Tagesausflug nach Frankreich nicht mehr zurückgekehrt. Dein Geld wirst du jetzt wohl nicht mehr wiedersehen.«
»Es war sein Geld, Takis, das weißt du doch. Stavros kann damit machen, was er will.«
»Er hat sich nicht mit dir getroffen, und bedankt hat er sich auch nicht bei dir.«
»Woher weißt du das?«
»Die dortigen Behörden haben sich mit mir in Verbindung gesetzt. Ich habe mit dem zuständigen Beamten gesprochen – er erinnert sich gut an deinen Besuch.«
»Das spielt doch alles keine Rolle.«
Takis seufzte tief. »Es hatte noch nie viel Sinn, mit dir zu reden.«
»Aber du hast mir noch mehr zu sagen, oder?«
»Oh, Vonni, du kannst in Gesichtern lesen wie in einem Buch. Warum blieb dir das deines Sohnes verschlossen?«
»Ich habe dir doch gesagt, das spielt keine Rolle. Es war sein Geld, und er kann es ausgeben, wie und wofür er will. Also, was hast du mir sonst noch zu sagen?«
»Stavros hatte einen Zellengenossen namens Jacky, ein Schotte, und dieser Jacky hat darum gebeten, dir diesen Brief zukommen zu lassen. Man hat den Brief aber an mich geschickt, und ich habe ihn, ich gestehe es, einfach aufgemacht.«
»Tatsächlich?«
»Ich hatte Angst, es könnte ein Bettelbrief sein.«
»Und, war er es, Takis?«
»In gewisser Weise, ja. Aber du solltest ihn selbst lesen.«
»Sehr großzügig von dir, wenn man bedenkt, dass er an mich adressiert war.«
»Lies ihn, Vonni.« Und sie las den Brief.
Sehr geehrte Mutter von Stavros,
ich habe mehrere Wochen lang mit Ihrem Sohn eine Zelle geteilt. Er war so glücklich, als er dank Ihrer Großzügigkeit endlich freikam. Tja, und nun hoffe ich, dass Sie eine reiche Frau sind und vielleicht auch für mich die Kaution hinterlegen könnten. Es ist viel weniger als für Stavros. Ich würde ein Leben lang arbeiten, um es Ihnen zurückzuzahlen. Meine Dankbarkeit wäre so groß, dass ich alles für Sie tun würde, was Sie von mir verlangen.
Stavros ist kein schlechter Kerl, seine Gedanken sind nur etwas konfus. Er kennt nur Schwarz und Weiß und hat keine Ahnung davon, dass die Welt aus grauen Schattierungen besteht. Er hat mir erzählt, dass er und Sie große Probleme miteinander hatten, als er noch ein Kind war. Aber es lag ja nur am Alkohol, wenn ich ihn recht verstanden habe, und mit dem Teufel hatten wir zu Hause doch alle zu kämpfen. Aber Stavros kann einfach nicht verzeihen.
Stavros hat mich einmal angerufen, nachdem er draußen war, weil er eine Adresse von mir haben wollte. Bei der Gelegenheit habe ich ihn gefragt, ob er Sie wiedergesehen hat, und er hat nein gesagt. Ich wollte von ihm wissen, warum er nicht dankbar ist, woraufhin er gemeint hat, dass Sie sich wegen Ihrer Vergangenheit fürchterlich schuldig fühlen müssen, sonst hätten Sie niemals so viel Geld für seine Kaution lockergemacht.
Und dann hat er noch hinzugefügt, dass er schon angefangen hatte, sich zu fragen, ob er nicht doch zu streng zu Ihnen gewesen ist, aber diese Sache hätte ihm ein für alle Mal bewiesen, dass Sie genau wissen, dass Sie sein Leben ruiniert und ihn zu dem gemacht haben, was er heute ist.
Ich schildere Ihnen das alles so ausführlich, weil ich, wäre ich Ihr Sohn, ganz anders wäre. Bitte, liebe Mutter von Stavros, glauben Sie mir, ich wäre Ihnen ewig dankbar und würde für Sie sorgen, wenn Sie alt sind.
Mit freundlichen
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