Wege des Herzens
jeder Konvertit. Nora Dunne war fest davon überzeugt gewesen, dass das Leben mit ihrem liebevollen Ehemann nach seinem Herzinfarkt ein für alle Mal vorüber war, und jetzt schien sich das Paar geradezu unsterblich zu fühlen.
Sogar Lar mit seinem zwanghaften Wunsch, dass jeder jeden Tag etwas Neues dazulernen sollte, würde sich als guter Botschafter für ihre Sache erweisen. Lar war ein unverbesserlicher Optimist. Nach seiner Gesundheit befragt, gab er stets zur Antwort, dass er fit wie ein Turnschuh sei und dass man viel zu viel Unfug über chronische Herzschwäche zu hören bekomme. Man müsse eben auf sich aufpassen und regelmäßig zur Kontrolle gehen. Hätten sie eine PR -Firma damit beauftragt, eine Werbekampagne für sie zu starten – ein Original wie Lar hätte ihnen die Schau gestohlen.
Ania hatte für alle gut lesbare Namensschilder angefertigt: grüne für die Patienten, rote für das Personal und gelbe für die Gastredner.
»Für Sie selbst haben Sie kein Schild gemalt?«, fragte Clara überrascht.
»Oh, ich habe doch von nichts eine Ahnung«, wiegelte Ania ab. »Was soll ich denn sagen, wenn mich jemand etwas fragt?«
»Sie wissen mehr hier als die meisten Leute. Jetzt schreiben Sie ganz schnell Ihr Namensschild, sonst mache ich es für Sie!«
»Das ist wirklich sehr nett von Ihnen, Clara.«
»Johnny hat übrigens einen Freund, der ist Fotograf und wird von uns allen ein Foto machen – mit unseren Namensschildern. Jeder wird einen Abzug bekommen, und wenn uns das Bild gefällt, hängen wir es hier an die Wand.« Claras Begeisterung war ansteckend.
»Dann kann ich meiner Mamusia auch ein Foto schicken. Sie wird so stolz sein, wenn sie sieht, dass ich hier zu einem Team gehöre.«
Clara musste schlucken. Diese junge Frau hatte etwas an sich, das in jedem den Wunsch weckte, sie zu beschützen, und gleichzeitig schämte man sich, dass man nicht dankbarer war für das, was man im Vergleich zu Ania alles hatte. Clara hatte sich für den Empfang eine neue Jacke aus cremefarbenem Brokat mit roter Bordüre gekauft, die ihr wie angegossen passte, und hatte sich von Kiki die Haare machen lassen. Sie sah richtig gut aus. Bevor sie an diesem Abend losfuhr, führte sie in der Küche ihren neuen Look vor.
»So wie du aussiehst, solltest du nicht mit dem eigenen Wagen fahren, sondern vornehm einer Limousine entsteigen«, meinte Adi voller Bewunderung.
»Du siehst aus, als ob du Mitte fünfzig wärst«, sagte Gerry staunend.
»Ich
bin
Mitte fünfzig, Gerry.«
»Eher Anfang fünfzig«, fügte er hastig hinzu, »vielleicht sogar Mitte vierzig …« Seine Stimme verlor sich.
»Willst du jemanden abschleppen, Clara?«, fragte Linda interessiert.
»Wie bitte?«
»Ich meine, hast du es heute Abend auf einen Kerl abgesehen?«
»Nein, das heißt, ich habe es durchaus auf viele Männer und auch auf Frauen abgesehen, aber was ich von ihnen will, das ist Anerkennung und Unterstützung für meine Arbeit, die mir nun mal sehr am Herzen liegt.«
»Aber du hast dich trotzdem ganz schön aufgedonnert«, meinte Linda.
»Ich muss unser Konzept schließlich Leuten verkaufen, die beruflich äußerst erfolgreich sind, und dazu muss ich alle Register ziehen. Wenn ich da in einer Strickjacke, die Haare zum Pferdeschwanz gebunden und in einer Art Sackkleid auftauche, kann ich keinen Blumentopf gewinnen.«
Clara sah so anders aus als diese Beschreibung, dass alle in schallendes Gelächter ausbrachen.
»Und weißt du, was auch gut wäre, Linda? Für den Fall, dass ich aus lauter Nervosität doch ein Glas oder zwei zu viel trinke, wäre es nicht schlecht, wenn du mich abholen könntest. Ginge das eventuell?«
»Kein Problem«, erwiderte Linda. »Aber mach dir jetzt lieber nicht gleich vor Aufregung in die Hose, sonst kannst du deinen großen Auftritt vergessen.«
»Nein, ich werde versuchen, mir nicht … äh, in die Hose zu machen«, antwortete Clara pikiert und machte sich auf den Weg.
»Ich hätte nicht sagen sollen, dass sie aussieht wie Mitte fünfzig«, sagte Gerry und seufzte.
»Nein, Schatz, ist schon gut. Sie weiß schon, wie du das gemeint hast«, tröstete Adi ihn.
Linda verdrehte die Augen, erwiderte aber nichts. Es war schrecklich, absolut entsetzlich, was die Menschen aus Liebe alles machten. Adi hatte mal ihren eigenen Kopf gehabt, aber das war lange her.
Alle stellten sich zum Gruppenfoto auf.
Johnnys Freund Mouth Mangan war ein freundlicher Mann, der sofort begriff, wie wichtig diese
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