Wege des Herzens
gebracht hatten. Offenbar hatte es ein Missverständnis gegeben –
sie
hatten gedacht, die Walshs würden für genügend Eis sorgen, und die Walshs hatten sich auf Scarlet Feather verlassen. Cathy hatte das Problem gelöst, indem sie per Taxi vier Beutel Eiswürfel geordert hatte.
Es war nicht das einzige Missverständnis des Abends gewesen.
Wie hatte sie nur
so
dumm sein können, fragte sich Ania, als sie auf dem Rücksitz des Taxis saß. Es war nur eine freundliche Geste von Carl gewesen, ihr diese Einladung zu geben. Es war von vornherein klar gewesen, dass sie in der Küche aushelfen sollte. Anias Gesicht brannte vor Scham.
Das Taxi bog in ihre Straße ein, und sie stieg aus. »Sind Sie sicher, dass ich nichts bezahlen muss?«, fragte sie ängstlich.
»Nein, Scarlet Feather bekommt einmal im Monat eine Rechnung von mir. Das stimmt schon.«
Bitte, lass niemanden da sein, betete Ania. Alle im Restaurant wussten, dass sie zu dieser Party eingeladen worden war. Erst vor ein paar Stunden hatte sie sich allen in ihrem Cocktailkleid präsentiert. Ania schaffte es, unbeobachtet die Haustür aufzusperren und die Treppe hinaufzulaufen. In der Wohnung war es dunkel und ruhig. Ania legte sich auf ihr Bett und ließ den Tränen freien Lauf. Sie schluchzte so lange, bis ihr die Rippen schmerzten. Dann stand sie auf, zog ihr neues Kleid aus und hängte es auf einen Bügel. Die Ärmel waren natürlich total ruiniert. Wenn sie sich stark genug fühlte, würde sie die Spitze wieder heraustrennen, doch im Moment hatte sie anderes zu tun.
Ania schlüpfte in ihre Jeans, zog einen Pullover und einen Anorak über und holte die große Plastikgeldtasche unter ihrer Matratze hervor. Mit tränenblinden Augen betrachtete sie das Bündel Euroscheine.
Der letzte Gast war gegangen. Carl half seinem Vater, aus dem Sessel aufzustehen, und warf einen Blick auf die lange, geschwungene Treppe, die immer wieder eine Herausforderung für seinen Vater darstellte.
»Möchtest du nicht lieber hier unten schlafen, als dir diese Anstrengung zuzumuten, Dad?«
»Ja, ist vielleicht besser so, mein Sohn.« Bobby Walsh hatte in seinem kleinen Arbeitszimmer neben der Küche ein Bettsofa stehen, das ihm jetzt sehr verlockend erschien.
Rosemary Walsh machte währenddessen einen Rundgang durch das Haus und schaute hinter jeden Gegenstand, ob nicht ein Glas oder eine Gabel übersehen worden war. Auch die Küche inspizierte sie sorgfältig. Doch die Leute vom Partyservice hatten Wort gehalten – sie hatten alles in makellosem Zustand hinterlassen. Die übrig gebliebenen Speisen waren verpackt, beschriftet und entweder im Kühlschrank oder im Gefrierschrank verstaut. Als Carl sie plötzlich ansprach, zuckte sie erschrocken zusammen.
»Mutter, könntest du bitte in das vordere Zimmer kommen? Ich möchte mit dir reden.«
»Können wir uns nicht hier unterhalten?«
»Nein, Dad schläft im Arbeitszimmer, und ich will ihn nicht stören.«
»Du solltest ihn nicht immer ermutigen, es sich so leicht zu machen. Sein Zustand bessert sich nie, wenn er sich nicht ein bisschen anstrengt.«
»Gehen wir nach nebenan, Mutter.«
Rosemary zuckte die Schultern.
Carl setzte sich auf einen Stuhl.
»Der ist aber nicht sehr bequem.«
»Mir ist jetzt auch nicht nach gemütlichem Beisammensein zumute«, erwiderte er.
»Was
ist
, Carl? Wir sind alle müde. Kann das nicht bis morgen warten? Die Party war doch ein voller Erfolg, oder nicht?«
Er reagierte nicht.
»Ich meine, teuer waren sie ja, die Leute von Scarlet Feather, aber sie haben ihre Arbeit ordentlich gemacht. Und ich nehme an, dass sie den Gästen gegenüber höflich waren, wenngleich sie es ihren Auftraggebern gegenüber ein wenig an Charme haben fehlen lassen.«
»Dann hatten sie also genügend Personal mitgebracht?«
»Ja, sie hatten sogar zwei Lehrlinge dabei, zwei merkwürdige junge Leute, die uns aber nichts gekostet haben. Stell dir nur vor – wie es sich herausstellte, sind die beiden mit den Mitchells verwandt, mit dieser Anwaltsfamilie.«
»Also waren genügend Helfer da?«
»Ja, und ich denke, es hat alles gut geklappt. Findest du nicht?«
»Es war also kein Bedarf an einer weiteren Hilfe?«
Rosemary wusste noch immer nicht, worauf er hinauswollte. »Nein. Warum?«
»Dann frage ich mich allerdings, warum du Ania gebeten hast, in die Küche zu gehen und beim Abwaschen zu helfen.«
»Ach, du meine Güte, hat sie sich etwa beschwert? Ich habe sie doch nur gebeten, mal kurz mit
Weitere Kostenlose Bücher