Wege des Herzens
aber ihr Arzt wolle sie trotzdem zur Beobachtung für drei Tage ins Krankenhaus schicken. Das Problem seien ihre Hunde, sagte sie. Denn wer sollte sich in der Zeit um ihre zwei kleinen Jack-Russell-Terrier kümmern? Eine teure Hundepension könne sie sich nicht leisten, und außerdem würden sich ihre beiden Lieblinge bestimmt vor Sehnsucht nach ihr verzehren. Ihre Nachbarin wäre ja bereit, den Hunden zwei Mal am Tag eine Dose Futter aufzumachen, aber Gassi gehen würde sie mit ihnen nicht. Die Hunde
brauchten
aber ihren Auslauf. Deshalb könne sie unmöglich ins Krankenhaus. Vielleicht könnte er, Dr.Carroll, ihr stärkere Medikamente verschreiben. Ihr ging es doch gut. Sie ließ Declan nicht aus den Augen, als er ihre Unterlagen durchblätterte: wiederholte Anfälle von Angina Pectoris, große Blutdruckschwankungen. Declan Carrolls Blick fiel auf ihre Adresse. Judy Murphy wohnte nur ein paar Straßen von ihm entfernt.
»Dann führe ich sie spazieren«, schlug er vor.
»Sie machen was?«
»Ich werde Ihre Hunde jeden Abend spazieren führen. Ich gehe sowieso jeden Abend mit Dimples um den Block, da nehme ich sie einfach mit.« Declan sah, wie Hoffnung in Judys Blick aufkeimte.
»Dimples?«, sagte sie fragend.
»Ja, ein riesiger, tapsiger kastrierter Labrador-Rüde. Fast reinrassig. Ihre Hunde werden ihn mögen. Er hat das Gemüt einer großen Katze.«
»Dr.Carroll, das würden Sie tatsächlich für mich tun?«
»Declan«, korrigierte er sie. »Ja, gleich heute Abend kann es losgehen.«
»Aber ich muss doch heute Abend noch nicht ins Krankenhaus, oder?«
»Nein, Judy, aber morgen sollten Sie auf jeden Fall dorthin, und heute Abend lernen Ihre Hunde mich und Dimples erst mal kennen. Ich werde so gegen acht Uhr bei Ihnen klingeln. Und jetzt gehen Sie zu Clara und machen alles Übrige mit ihr aus, dann wird Ania sich um die Aufnahme kümmern, und bald sind Sie wieder kerngesund.«
»Sie sind der beste Arzt, den man sich vorstellen kann, Dr.Declan«, sagte Judy.
Auch Clara war sehr mit ihm zufrieden. »Ich habe die Frau drei Mal die Woche hierher bestellt, nur um sie besser im Auge zu behalten. Jetzt haben Sie geschafft, wozu wir anderen alle nicht fähig waren. Gibt es zufälligerweise irgendwo im Himmel einen heiligen Declan? Wenn nicht, dann könnten Sie der Erste sein.«
»Es soll tatsächlich einen St. Declan geben, aber ich habe nirgends etwas über ihn herausgefunden. Im Heiligenverzeichnis geht es im Alphabet direkt von David zu Demetrius, und deswegen habe ich die Sache nicht weiter verfolgt. Meine Mutter hat mich sicherheitshalber auf den Namen Declan Francis taufen lassen. Man kann ja nie wissen.«
Clara lachte. »Gut, sie hatte recht, sich nach allen Seiten abzusichern«, erwiderte sie. Aber Declan hörte ihr schon nicht mehr zu, so sehr war er in den Anblick der jungen Frau Anfang zwanzig vertieft, die gerade neben einem älteren Mann in die Knie ging und ihm half, ein Formular auszufüllen. Die Frau in der Klinikuniform aus dunkler Hose und weißer Bluse hatte lange, geschwungene Wimpern und ein anziehendes Lächeln. Eine so schöne Frau wie sie hatte Declan Carroll noch nie gesehen, und zum ersten Mal in seinem Leben spürte er am eigenen Leib, worüber er bisher nur gelesen und wovon er geträumt hatte. Er musste diese wunderschöne Frau unbedingt näher kennenlernen. Zum ersten Mal seit seinem vierzehnten Lebensjahr wünschte er sich, er wäre groß und dunkelhaarig, statt eher von normaler Statur, rothaarig und sommersprossig zu sein. Welche Frau, die noch bei Sinnen war, würde sich schon in ihn verlieben?
Als Fiona beim Ausfüllen des Formulars von Lar Kelly einmal kurz aufschaute, bemerkte sie, dass Declans braune Augen unverwandt auf sie gerichtet waren. Sie hätte blind sein müssen, um die Bewunderung in seinem Blick nicht zu sehen. Das war bestimmt der neue Arzt, der Kitty dazu bewogen hatte, sich die Namen ihrer Tabletten zu merken, und der auch Judy dazu überredet hatte, ins Krankenhaus zu gehen. War er so etwas wie ein Guru?
»Sie müssen Declan sein«, sagte sie. »Willkommen in der Anstalt.«
»Was, eine Anstalt ist das hier?« Ängstlich hob Lar, ein kleiner, rundlicher Mann mit kahlem, eierförmigem Schädel und Fliege, den Kopf.
»Sorry, Lar, nein, natürlich nicht. Das ist nur eine flapsige Art, über unseren Arbeitsplatz zu reden. Declan, das ist Lar Kelly. Er weiß einfach alles. Bei jedem Besuch erzählt er mir etwas Neues. Deshalb will ich auch, dass er jeden
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