Wege des Herzens
für ein Essen auszugeben, wie sein Vater in einer Woche verdiente. Noch weniger, dass er sich dort bereits über die verschiedenen Austernarten informiert hatte, damit er, wenn die Zeit gekommen war, eine fundierte Wahl treffen konnte.
Und dann war da noch die Frage, was am vergangenen Freitag passiert war. Das ließ Declan einfach keine Ruhe. Er wollte aber weder Barbara noch Fiona danach fragen, damit sie ihn nicht für neugierig hielten. Vielleicht konnte Ania, die kleine Polin, ihm etwas erzählen. Oder Tim, der als Security-Mann bei der Veranstaltung gewesen war.
Ania erzählte ihm, dass sie sich an ihrer Garderobe nicht sehr wohl gefühlt habe.
»Die Frau von Bobby Walsh war auch da und hatte sehr schlechte Laune. Ich habe sie mit ihrem Namen begrüßt. War dumm von mir. Sie hat sich fürchterlich aufgeregt und gesagt: ›Du meine Güte, diese Polen sind heutzutage ja wirklich überall. Sie überschwemmen das ganze Land.‹«
»Gott, was für eine schreckliche Frau, Ania, ich hoffe, Ihnen laufen nicht viele solcher Menschen über den Weg.« Ania tat Declan leid, trotzdem plagte ihn weiter die Neugierde. »Haben sich denn wenigstens Fiona und Barbara gut amüsiert?«
»Nein, das glaube ich nicht, das heißt, ich bin sogar ganz sicher. Und zwar ist irgendetwas vorgefallen, das beide Beteiligte nicht verstanden haben. Wie sagen Sie hier?«
»Ein Missverständnis?«, schlug Declan vor.
»Ja, ich denke, das war es. Ein ernsthaftes Missverständnis.« Doch mehr konnte ihm Ania auch nicht sagen.
Als Declan endlich Tim im Haus ausfindig machte, erfuhr er von ihm immerhin so viel, dass die Leute bei der Veranstaltung sehr arrogant waren und dass jede Menge Drogen im Umlauf gewesen waren. Auf der Herrentoilette wurden stapelweise Briefchen mit Koks angeboten.
»Und was haben Sie dagegen unternommen? Sie waren doch für die Sicherheit zuständig.« Manche Menschen führten wirklich ein ziemlich kompliziertes Leben, dachte Declan.
»Ich habe mich an den obersten Wachmann gewandt, aber der hat nur gemeint, dass ich den Mund halten und wegschauen soll. Das habe ich dann auch getan, Declan. Ich kann nicht im Alleingang das ganze Land von Drogen säubern.«
»Und Fiona und Barbara? Haben sie … ich meine, waren sie …?«
»Nein, damit hatten sie nichts zu tun. Sie sind auch schon sehr früh gegangen. Sie haben mich sogar gebeten, ihnen ein Taxi zu besorgen.«
»Wegen der Drogen?«
»Nein, weil die Organisatoren von ihnen erwartet hatten, sich wie die üblichen billigen Partyflittchen zu benehmen. Genau aus dem Grund hatte ihnen der Typ nämlich die Eintrittskarten geschenkt. Himmel, was für ein Abend.«
In Declan löste diese Nachricht eine wilde Freude aus. Es war also nichts passiert. Erleichtert atmete er tief durch, und an diesem Abend schienen die Hunde zu spüren, dass er seinen inneren Frieden wiedergefunden hatte.
Declan war aufgeregt, als er am Donnerstagmorgen erwachte. Heute durfte nichts schiefgehen. Deshalb würde er den Tag vom ersten Moment an gut gelaunt angehen und sich von nichts unterkriegen lassen.
Gleich beim Frühstück fing er damit an. »Ich werde heute Abend nicht zum Essen nach Hause kommen, Mam«, verkündete er entschlossen.
»Und wer soll die Hunde spazieren führen?«, fragte Molly, um ihre Enttäuschung zu verbergen.
»Judy Murphy kommt heute aus dem Krankenhaus, und Dad kann Dimples mit ins Pub nehmen.«
»Und
was
hast du Besseres zu tun, als zum Essen nach Hause zu kommen?« So leicht ließ sich Molly nicht abspeisen.
Declan hatte lange über eine Antwort nachgedacht. Wenn er log und erzählte, er habe eine Besprechung in der Klinik, dann schob er den Tag nur vor sich her, an dem er seinen Eltern würde sagen müssen, dass er ein Mädchen kennengelernt hatte. Daran war nichts verwerflich oder unnatürlich. Im Gegenteil, für einen Mann von sechsundzwanzig Jahren war es eher unnatürlich, sich
nicht
schon mit Mädchen verabredet zu haben.
»Ich treffe mich mit einer Kollegin aus der Klinik. Wir gehen zusammen essen.«
»Eine Kollegin aus der Klinik«, wiederholte seine Mutter grimmig.
»Ja, Fiona Ryan, sie ist Kardiologieschwester bei uns in der Klinik.«
»Eine Krankenschwester«, wiederholte Molly.
»Und ist sie nett, Declan?«, fragte Paddy.
»Sehr nett.« Declan wusste, dass seine Einsilbigkeit nicht sehr höflich war, aber anders ging es nicht.
»Und wohin geht ihr?« Molly kannte keine Gnade.
»Oh, irgendwohin in der Nähe. Wir sind nicht
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