Wege des Herzens
war wegen eines Fußballspiels nach Dublin gekommen, hatte dabei einen Herzanfall erlitten und war im St. Brigid Hospital gelandet. Bei seiner Entlassung hatte man ihm nahegelegt, sich zu Hause unbedingt weiterbehandeln zu lassen. Jimmy war jedoch ein sehr schüchterner, verschlossener Mensch, der lieber regelmäßig den weiten Weg quer über die Insel bis zu der Herzklinik auf sich nahm, als zu riskieren, dass es einem seiner Nachbarn zu Ohren kommen würde, dass er Probleme mit seinem Herzen hatte.
Declan konnte hören, wie Fiona zwei Kabinen weiter auf Kitty Reilly einredete.
»Also, Kitty, Sie sind doch nicht auf den Kopf gefallen. Ich muss aufpassen, dass ich meinen Job behalte, und Sie wissen mehr über Ihre Medikamente als ich. Der Doktor wird mit Ihnen wahrscheinlich über Ihre Atemnot sprechen wollen. Die hat sich doch gebessert, seit Sie die richtigen Tabletten einnehmen, oder?«
»Ich habe deswegen auch zu Padre Pio gebetet. Es hat also nicht
nur
was mit den Tabletten zu tun.«
»Nein, Kitty, so einfach ist das nie. Es spielen immer viele Faktoren eine Rolle.« Fiona war die geborene Diplomatin.
Declan versuchte, ihrem Tonfall irgendetwas darüber zu entnehmen, ob sie eventuell das Wochenende im Penthouse eines Playboys verbracht haben könnte. War sie an dem Abend womöglich heillos abgestürzt? Aber er kam nicht dahinter. Kitty hatte sich mittlerweile in Fahrt geredet.
»Na gut, ich werde mir anhören, was der nette junge Doktor mit dem Karottenkopf zu sagen hat. Ist er verheiratet, was meinen Sie?«
»Oh, ganz bestimmt sogar«, erwiderte Fiona, »nette Ärzte sind immer verheiratet. Meistens mit skrupellosen, Brille tragenden Schreckschrauben, die irgendwelche Forschungsprojekte am Laufen haben.«
Ein breites Grinsen huschte über Declans Gesicht. Sie hielt ihn für einen der netten Ärzte und dachte, er sei verheiratet. Ah, dem Himmel sei Dank, es gab vielleicht doch noch Hoffnung für ihn. Beim Mittagessen wagte er endlich einen Vorstoß und fragte Fiona, ob sie vielleicht mal mit ihm ausgehen wolle – er, Declan Carroll, der sich noch nie in seinem Leben mit einem Mädchen verabredet hatte, weil er nie genügend Geld oder Zeit oder Selbstvertrauen gehabt hatte.
»Würden Sie in dieser Woche mal mit mir zum Essen gehen wollen?« Eine völlig normale Frage, doch in Declans Ohren dröhnte der Satz laut wider wie in einer riesigen, unterirdischen Höhle. Vielleicht würde Fiona ihn auslachen und ihm raten, vernünftig zu bleiben. Vielleicht würde sie nein sagen. Nein, danke, sie habe bereits eine neue Beziehung.
»Gern, das wäre großartig«, sagte sie stattdessen, und es hörte sich an, als meinte sie es ernst.
»Wohin würden Sie denn gern gehen?«
»Irgendwohin, wo
Sie
gern hingehen«, erwiderte Fiona.
Declan war ratlos. Wohin ging er gern? Er kannte nicht ein einziges Lokal. Abends kehrte er zum Essen an den Küchentisch seiner Mutter zurück. Was für ein trauriges Leben. Vor kurzem hatte Declan in der Zeitung einen Artikel über ein Restaurant namens Quentins gelesen. Es sei superelegant, schrieben sie. Was das wohl heißen mochte? Protzig vielleicht. Aber es war das einzige Restaurant, das ihm einfiel.
»Ins Quentins?«, schlug er deshalb vor, erstaunt, dass seine Stimme so normal klang. Ihm schien es, als brächte er nur ein Krächzen heraus.
»Wow, Mann«, sagte Fiona beeindruckt.
»Also, in Ordnung?« Er bemühte sich, so beiläufig wie möglich zu klingen.
»Eine Mrs.Declan gibt es wohl nicht?«, wollte Fiona wissen.
»Nein. Es werden nur wir beide da sein«, stammelte er.
»Nun, Sie würden sie ja wohl kaum auch zum Essen einladen«, meinte Fiona.
»Nein, nein, natürlich nicht. Es gibt ja auch keine … eine Mrs.Declan, meine ich. Gott, nein.«
»Gut«, sagte Fiona und machte sich daran, die Ergebnisse einer Blutuntersuchung auszusortieren, die statt im St. Brigid Hospital bei ihnen gelandet waren.
Als Declan an diesem Abend nach Hause fuhr, machte er einen Umweg über das Quentins. Das Restaurant sah bereits von außen sehr eindrucksvoll aus. Er musste verrückt gewesen sein, ausgerechnet dieses Lokal vorzuschlagen, dachte Declan. Mit etwas Glück waren sie ausgebucht, und er konnte Fiona reinen Gewissens erzählen, dass er es immerhin versucht hatte. Aber nein. Als er an der Ecke hielt und von seinem Handy aus anrief, konnte man ihm ohne Probleme einen Tisch für zwei Personen reservieren. Also sagte er schweren Herzens zu und überlegte sich, dass er
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