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Wege des Herzens

Wege des Herzens

Titel: Wege des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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tun konnte. Er hatte schon genug getan. Schuldgefühle übermannten sie, dass sie ihn belästigt hatte.
    »Nick, es tut mir leid«, begann sie, »hab noch einen schönen Abend. Hier ist alles in bester Ordnung.«
    Hilarys Mutter saß in der Küche und beobachtete sie, aber ihr Blick war leer.
     
    In dieser Nacht fand Hilary keinen Schlaf. Beim Frühstück am nächsten Tag entschuldigte sie sich erneut bei ihrem Sohn.
    Nick zuckte nur die Schultern. Sie brauchte sich für nichts zu entschuldigen, versicherte er ihr. Er würde heute den ganzen Tag zu Hause bei seiner Großmutter bleiben.
    Jessica hatte sich mittlerweile auch beruhigt, und alles war wieder normal.
    Der Blick in den Spiegel bestätigte Hilary, wie müde und grau sie aussah. Prompt sprach Clara sie später in der Klinik darauf an, wenngleich nur durch die Blume.
    »Ich glaube, momentan sind alle Leute müde. Das muss am Wetter liegen, vielleicht auch an der Aussicht auf den bevorstehenden Weihnachtsstress«, sagte sie im Plauderton.
    »Ich weiß, wie ich aussehe, Clara. Sie müssen meinetwegen kein Theater spielen. Es gibt nicht genügend Make-up auf der Welt, um die Schatten unter meinen Augen und die Falten wegzuschminken.«
    »Ist es wegen Ihrer Mutter?«, fragte Clara mitfühlend.
    »Natürlich. Zeitweise ist sie vollkommen verwirrt, und dann gibt es wieder Tage, an denen sie absolut klar im Kopf ist. Es ist der reinste Alptraum.«
    »Was halten Sie davon, sie tagsüber zur Pflege zu geben, Hilary?«
    »Nick und ich schaffen das schon.«
    »Dann gehen Sie wenigstens mal zum Arzt mit ihr und lassen sie untersuchen. Hilary, Sie wissen genau, dass Sie das tun sollten.«
    »Sie meinen, ich soll meine Probleme und meine Entscheidungen einem anderen aufladen? Ich glaube nicht, dass ich das tun sollte.«
    »Ich habe Ihnen doch von meiner Freundin Claire Cotter und ihrer Seniorenresidenz – Lilac Court – erzählt. Die Bewohner dort sind sehr glücklich …«
    »Sie meinen, weil sie nicht wissen, wo sie sind?«
    »Nicht deswegen. Es gibt dort einen wunderschönen Garten, und das Essen ist wirklich ausgezeichnet. Die Menschen fühlen sich dort gut aufgehoben.«
    »Obwohl sie wissen, wo sie sind.«
    »Auch dann. Schauen Sie sich das Haus wenigstens einmal an, Hilary, bevor Sie es völlig ablehnen.«
    »Ich lehne lediglich die Vorstellung ab, meine Mutter
irgendwohin
zu geben.«
    »Ich schreibe Ihnen trotzdem mal die Adresse auf«, sagte Clara.
     
    Als Hilary zwei Tage später aus der Klinik kam, benahm sich ihre Mutter äußerst merkwürdig und versuchte gerade, Nick aus dem Zimmer zu schieben. Nick begriff offenbar sofort und ging, ohne zu protestieren.
    »Was macht der denn hier?«, zischte Jessica.
    »Wer? Nick? Er hat dir etwas zum Mittagessen gemacht, da ich noch in der Arbeit war.« Hilary wurde das Herz schwer.
    »Aber wer
ist
der Kerl? Was macht er in diesem Haus?«
    »Er ist dein Enkel, Mutter, das ist Nick, mein Sohn.«
    »Mach dich nicht lächerlich, Hilary, du hast keinen Sohn. Also, was will dieser Herumtreiber hier?«
    »Mutter, kannst du dich nicht an Nick erinnern?«
    »Ich werde dir sagen, woran ich mich erinnere. Ich erinnere mich, dass er ein Loch in meine Handtasche geschnitten und mein ganzes Geld geklaut hat. Es fehlen Hunderte von Pfund.«
    »Mutter, wir zahlen inzwischen mit Euro, und du hast weder Hunderte von Pfund noch Hunderte von Euro«, widersprach Hilary.
    »
Jetzt
nicht mehr«, stimmte ihre Mutter ihr zu.
     
    Und so suchte Hilary die Adresse und Telefonnummer von Lilac Court heraus und vereinbarte einen Besichtigungstermin. Claire Cotter begrüßte sie an der Eingangstür des Hauses, das einen angenehmen und gepflegten Eindruck machte. Die elegant gekleidete Leiterin hatte ein warmes Lächeln und wurde Hilary immer sympathischer, als sie ihr mehr über ihr Heim erzählte.
    »Ich will, dass sich die Angehörigen hier ebenso geborgen und gut aufgehoben fühlen wie unsere Senioren«, sagte sie. »Bitte, sehen Sie sich in unserer Einrichtung um, Mrs.Hickey, und überzeugen Sie sich selbst. Ich werde Ihnen eines unserer Zimmer zeigen lassen. Sie können sich alles in Ruhe anschauen, und dann reden wir darüber.«
    Auf ihrem Rundgang kam Hilary zunächst durch einen großen luftigen Speisesaal, wo sich mehrere Bewohner bereits das Mittagessen schmecken ließen. Auf allen Tischen standen Vasen mit Blumen, und einige der hochbetagten oder besonders gebrechlichen Bewohner wurden von Pflegekräften beim Essen unterstützt. Generell

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