Wege des Herzens
hätte, die Friteuse auch nur anzurühren.
»Nein, Mutter, da hast du Nick bestimmt falsch verstanden«, fing sie an, und in dem Moment sah sie ihren Sohn mit zwei Portionen Pommes frites in der Hand auf sie zukommen. Er hatte sich auf den Weg gemacht und seiner Großmutter eine Tüte voll gekauft, nachdem sie ihm erklärt hatte, die Pommes würden sie an frühere Zeiten erinnern. Erst jetzt war es mit Hilarys Beherrschung vorbei, und sie brach in Tränen aus.
Später an diesem Abend, nachdem das Fenster provisorisch repariert und der größte Teil der verbrannten Regale und verkohlten Utensilien weggeworfen worden war, setzten Hilary und Nick sich zusammen und redeten über den Vorfall.
»Ich schätze, wir werden eine Entscheidung treffen müssen«, sagte Hilary.
»Tja, der Schreiner kommt morgen. Ich werde in der Zeit mit Großmutter eine Runde spazieren gehen …«
»Nein, ich meine nicht morgen, sondern auf lange Sicht, Nick.«
»Was meinst du damit?«
»Na ja, Großmutter kommt immer weniger allein zurecht und versteht vieles nicht mehr. Sie hat doch tatsächlich gedacht,
du
willst, dass sie Pommes frites für dich macht!« Als ob ihr Sohn so unvernünftig wäre.
»Du bist doch immer diejenige, die sagt, dass ihr nichts fehlt, Mam, und fährst jedem über den Mund, der etwas anderes behauptet.«
»Tja, vielleicht bleibt mir wirklich nichts anderes mehr übrig, als den Tatsachen ins Gesicht zu blicken.«
»Meine Mutter, die Realistin«, neckte Nick sie liebevoll.
»Ich weiß. Und ich frage mich, warum nicht schon früher jemand gesagt hat, dass es so nicht mehr weitergeht.«
»Wahrscheinlich hat es jemand versucht, aber du hast immer nur geantwortet: ›Unsinn, Unsinn‹, und so hat er es schließlich aufgegeben.«
»Hast du mir denn etwas sagen wollen wegen Großmutter?«
»Nein, eigentlich nicht. In meinen Augen fehlt ihr ja nichts im Kopf. Du bist doch diejenige, die ständig zusammenzuckt und betreten schaut, wenn Omi irgendetwas Verrücktes sagt. Mir gefällt’s. Ich finde das cool.«
»Du hast sie auch nicht gekannt, als sie noch bei Verstand war.«
»Das ist sie doch immer noch. Auf ihre Weise. Während wir beide uns hier ihretwegen den Kopf zerbrechen, liegt sie gemütlich mit einem Becher heißer Schokolade im Bett. Wer ist jetzt hier cleverer, frage ich dich?«
»Ich finde es nur so schlimm, mit anzusehen, wie ihr Geist immer verwirrter wird.«
»Es steht ihr zu, ab und zu mal einen Aussetzer zu haben.«
»In der Klinik sagen mir alle, dass ich …«
»Wir schaffen das schon, wir zwei, Mam. Ich gebe eben mehr Stunden zu Hause und gehe weniger aus.«
»Ich kann dich doch nicht bitten, dein Leben noch mehr auf Eis zu legen.«
»Mein Leben liegt auf Eis? Nicht dass ich wüsste. Ich führe nachts das tollste Leben.«
»Lernst du denn dabei auch mal ein nettes Mädchen kennen?«
»Ich lerne oft Mädchen kennen, Mam, aber ob sie alle nett sind … tja, das ist die Frage.«
»Aber ist denn ein Nachtclub ein guter Ort, um Mädchen kennenzulernen? Ich frage nur aus Sorge um dich, nicht weil ich mich einmischen will.«
»Du hast dich noch nie eingemischt, Mam. In der Beziehung hast du dich immer großartig benommen.«
»Trotzdem kannst du nicht den ganzen Tag auf deine Großmutter aufpassen«, sagte Hilary.
»Nicht den ganzen Tag, nur ein paar Stunden mehr als bisher. Aber dass ich einfach so weggehe und sie allein im Haus lasse, das wird mir nicht mehr passieren.« Betreten sah Nick sich in der ausgebrannten Küche um.
»Was meinst du? Ob die Versicherung wohl zahlt?«, fragte Hilary.
»Keine Ahnung. Diese Versicherungsgesellschaften sind doch alle die reinsten Halsabschneider und kennen nur ihren eigenen Vorteil. Bestimmt behaupten sie, dass Großmutter haftbar zu machen ist. Ich würde, ehrlich gesagt, vorschlagen, den Schaden lieber nicht zu melden, wer weiß, welchen Ärger wir uns damit einhandeln könnten.«
»Du meinst, dass sie uns zwingen wollen, deine Großmutter in ein Heim zu stecken?«
»Also, diese Entscheidung treffen wir und nicht irgendeine Versicherungsgesellschaft. Und so weit ist es noch lange nicht.«
Hilary spürte, wie eine Welle der Erleichterung in ihr aufstieg. Sie hatte Angst gehabt, dass Nick sich gegen sie stellen und darauf bestehen würde, realistisch zu sein und zu ihrer aller Nutzen für seine Großmutter einen Pflegeplatz zu finden, wo man sich anständig um sie kümmern konnte. Doch jetzt sah es so aus, als wäre er ebenso interessiert
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