Wege des Herzens
sah traurig aus.
»Vielleicht hat er dich ja geliebt, auf seine Weise. Jeder Mensch hat eine andere Vorstellung von Liebe«, versuchte Hilary, sie zu trösten.
»Nein, Marek hat mich nie geliebt. Das hat er mir später selbst gesagt. Er hat sich nur lustig gemacht über mich, und seine Freunde auch.«
»Meine Freunde haben mich auch für verrückt gehalten, einen Mann wie Dan zu heiraten. Einige haben es mir direkt ins Gesicht gesagt, sogar noch am Vorabend der Hochzeit.«
»Aber du warst dir sicher?«
»Ja, ich war mir meiner Sache sicher. Und was noch wichtiger war, meine Mutter hat mich in meinem Entschluss bestärkt. Und das ist der Grund, warum ich sie niemals in ein Heim zu völlig fremden Menschen geben kann. Das verstehst du doch, oder?«
»Natürlich. Das geht nicht. Und ich werde tun, was ich kann, um dir zu helfen«, versprach Ania.
Als Hilary in der Mittagspause nach Hause ging, überlegte sie, ob sie Anias Angebot annehmen sollte. Vielleicht könnte sie tatsächlich ein Mal in der Woche zu ihnen kommen und bei ihrer Mutter bleiben. Vielleicht könnte sie ihr auch hin und wieder etwas zum Mittagessen kochen. Hilary könnte das Geld aufbringen, das Ania so dringend benötigte, um ihrer Mutter das kleine Haus mit ihrem Namen über der Ladentür zu kaufen, das Geschäft, mit dem ihr der Respekt aller sicher wäre.
Als sie nach Hause kam, hämmerte und sägte bereits ein Schreiner in der Küche. Nick und Jessica saßen im vorderen Zimmer und schauten sich ein Fotoalbum an.
»Das war am Hochzeitstag deiner Mutter, Nick. Schau nur, wie gut der Bräutigam aussieht. Es war einer der schönsten Tage in unserem Leben. Das heißt, es
war
der schönste Tag, bis du gekommen bist.« Zufrieden blätterten sie die Seiten um. Ihre Mutter war wieder absolut klar im Kopf, und Nick fühlte sich wohl in ihrer Gesellschaft. Hilary atmete erleichtert auf. Worüber machte sie sich eigentlich Sorgen? Ihrer Mutter ging es doch gut. Sie brauchte weder Ania noch sonst eine Pflegerin. Und über einen Platz in einem Seniorenheim musste sie sich erst recht keine Gedanken machen.
Vier Tage später packte ihre Mutter eine Reisetasche und rief ein Taxi, das sie zum Bahnhof bringen sollte. Nick war gerade gegangen, als Hilary nach Hause kam, und so konnte sie ihn nicht fragen, wie Jessica auf diese Idee gekommen war. Es herrschte zunächst einige Verwirrung, als das Taxi eintraf und wieder weggeschickt werden musste.
»Wo wolltest du denn hin, Mutter?«
»Nach Südengland, um deinen Vater zur Vernunft zu bringen, damit er wieder zu uns nach Hause kommt. Er hat einen großartigen Sohn hier – Nick. Es wird Zeit, dass er den Jungen richtig kennenlernt.«
»Aber Mutter, Vater ist schon längst tot. Das weißt du doch. Das ist lange her. Er ist gestorben, und
sie
hat ihren Nachbarn geheiratet.«
»Er muss doch zu seinem Sohn zurückkommen.«
»Nick ist sein Enkel, Mutter.«
»Nein, das ist er nicht. Glaubst du denn, ich kenne meine eigene Familie nicht mehr?«
»Nick ist Dans Sohn. Erinnerst du dich an Dan? Mein schöner Dan, der im See ertrunken ist?«
»Hör auf, mir von all diesen Leuten zu erzählen, die tot sind. Ich kenne keinen Dan.«
»Natürlich kennst du ihn, Mutter, du hast ihn sehr gern gehabt. Du warst immer nett zu ihm. Und erst vor ein paar Tagen hast du zu Nick gesagt, dass der Tag, an dem ich Dan geheiratet habe, der zweitschönste Tag in unserem Leben war.«
»Hilary, jetzt wirst du aber sentimental. Ich glaube, diese Stelle in der Klinik ist nichts für dich.«
»Verlass mich nicht, Mutter, bitte.«
»Wie soll ich denn? Du hast das Taxi ja weggeschickt.« Ihre Mutter wirkte sehr aufgebracht.
»Warte einen Moment, Mutter. Ich muss mal telefonieren.« Hilary ging in ihr Schlafzimmer und rief Nick auf seinem Handy an.
»Was ist passiert, Nick?«
»Wie meinst du das?«
»Deine Großmutter. Ist irgendetwas passiert, das sie aufgeregt hat?«
»Nein, sie war völlig okay, als ich aus dem Haus ging. Stimmt etwas nicht?«
»Sie ist total verwirrt. Sie wollte gerade mit dem Taxi nach England fahren.«
»Das wäre teuer geworden.«
»Sei doch mal für einen Moment ernst. Außerdem redet sie wirres Zeug. Sie denkt, du bist ihr Sohn, nicht ihr Enkel.«
»Soll ich nach Hause kommen?«
»Wo bist du?«
»In einem Coffeeshop. Auf einen Cappuccino mit einem Freund. Danach wollten wir uns einen Film anschauen, und dann spiele ich in einem Club.«
Plötzlich wurde Hilary klar, dass auch Nick nichts mehr
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