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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Haare und ihres chaotischen Liebeslebens den Spitznamen Lulu gegeben, und weil sie Louise Brooks ähnelte, einem Hollywoodstar aus der Stummfilmära und Femme fatale. Sie nannte ihn Commander, weil das sein Rang gewesen war, als er aus dem aktiven Dienst in der Marine ausschied.
    »Du bist früh auf den Beinen«, sagte er.
    »Mir geht eine Menge im Kopf herum.«
    Henry hob die Brauen. »Oh nein!« Sehr groß und kräftig gebaut, hatte er silberne Haare, sonnenhelle blaue Augen und eine von Wind und Wetter gerötete Haut, gegerbt durch annähernd dreißig Jahre auf der Brücke verschiedener Kriegsschiffe.
    »Wieso?«
    »Wer ist der Glückliche?«, fragte er.
    »Ich bin nicht verliebt.«
    »Lulu, du bist immer verliebt. Das ist eine Gottesgabe und ein Fluch zugleich.«
    »Eher ein Fluch«, erwiderte sie mit einem gezwungenen Lachen. Sie wandte sich ab, um die Röte zu verbergen, die ihr in die Wangen gestiegen war.
    Sie schlenderten zu einem runden Findling am Ende der mit Kiefern bewachsenen Wildnis hinüber, wie Tante Aida es nannte – ein Kiefern- und Zedernhain, der sich unendlich weit, bis zum Mount Lamentation erstreckte. Baufirmen, die das Land kaufen wollten, boten ihr immer wieder eine Menge Geld, aber sie schwor, lieber mittellos zu sterben, als deren Drängen nachzugeben.
    Henry zündete eine Zigarette an und reichte sie Stevie. Sie blies drei perfekte Rauchkringel in die Luft, bevor sie ihm die Zigarette zurückgab.
    »Du bringst die schlechten Gewohnheiten in mir zum Vorschein«, sagte sie.
    »Jemand muss es ja tun, und außerdem hast du nur noch wenige. Seit du keinen Tropfen Alkohol mehr anrührst, habe ich meine Zechkumpanin verloren.« Sie lachten und teilten sich die Zigarette, sahen zu, wie sich der Nebel über der Flussmündung lichtete. Das Nebelhorn ertönte abermals, obwohl der Sund inzwischen klar sichtbar war, das Wasser, spiegelglatt und silberblau, war bereits mit Booten gesprenkelt, die weiß schäumendes, wie Krakellinien anmutendes Kielwasser nach sich zogen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Sunds wirkte Orient Point wie ein Schmierfleck, den ein dicker Stift hinterlassen hatte.
    »Du willst es mir nicht erzählen?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Du hattest viel Pech, Mädel. Du hast immer viel gegeben und wenig zurückerhalten.«
    Sie legte den Kopf zur Seite und sah ihn an. »Findest du? Es kommt mir vielmehr so vor, als hätte ich alle Menschen verletzt, die mir lieb und teuer waren.«
    »Das auch.« Obwohl Henry nie geheiratet hatte, hatte es in seinem Leben eine langfristige Beziehung zu einer Frau in Newport gegeben. Im letzten Jahr hatte sie ihm den Laufpass gegeben, und obwohl er sein Bestes tat, um nach außen hin dem Bild eines unerschütterlichen Seebären zu entsprechen, war sein Herz gebrochen. »Liebe ist das reinste Gift für alle Betroffenen.«
    »Ausnahmen bestätigen die Regel.« Sie schloss die Augen und fragte sich, was sie damit meinte. Sie hatte die Hoffnung nie aufgegeben. Trotz aller Fehlgriffe und Fehlstarts war sie immer davon ausgegangen, irgendwann die große Liebe ihres Lebens zu finden, dauerhaft, gedeihend, wohltuend. Der Wunsch war so stark, dass ihre Augen sich mit Tränen füllten, und abermals dachte sie an ihren Freund auf der Strandpromenade.
    »Gib nicht auf, du bist auf dem richtigen Kurs«, sagte er, in den Navy-Jargon verfallend. Die Worte waren seltsam tröstlich und entlockten Stevie ein Lächeln.
    »Meinst du?«
    Er nickte. »Ich bewundere dich.«
    »Weil ich drei Scheidungen hinter mir habe?«
    »Weil du drei Mal vor den Traualtar getreten bist. Du bist das tapferste Mädchen der Welt. Ich beneide dich um deinen Mumm. Doreen wollte immer nur eines, einen Ring am Finger, und ich war zu feige, ihr diesen Wunsch zu erfüllen.«
    »Ach, Commander. Die Ehe ist keine Garantie … ich bin der beste Beweis.«
    »Du bist eine Naturgewalt, das bist du. Ich habe auf Fregatten und Flugzeugträgern Stürme erlebt, die nicht einmal halb so viel Stärke hatten wie du.«
    »Du solltest wieder aufs Meer hinausfahren.« Sie beobachtete den Schiffsverkehr unter ihnen, lauschte den Vögeln in den Bäumen ringsum.
    »In all den Jahren an Bord der Cushing habe ich zwei Arten von Büchern gelesen. Shakespeare … wie du dir vorstellen kannst. Und die Odyssee.«
    »Macht Sinn für einen Mann, der zur See fährt.«
    »Weißt du, was du bist, Lulu? Eine neue Figur in der Odyssee.« Er suchte nach einem Namen. »Luocious. Eine Sirene, die auf den

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