Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
her.
    »Diejenige, die vorne sitzt, lenkt«, rief Tara. »Die andere, die hinten fährt, muss die Kontrolle vollständig abgeben.«
    »Was die schwierigste Sache der Welt ist.« Peggys Mutter, die hinten saß, lachte. »Die Kontrolle abgeben …«
    »Was?«, fragte Peggy. »Ich verstehe nur Bahnhof!«
    Nell beobachtete die beiden Frauen und dachte an ihre Mutter und ihre Tante. Sie hatten sich ähnlich verhalten: Sie hatten gelacht, gescherzt und Dinge gesagt, die nur für sie Sinn ergaben. Erwachsene Frauen mit den Geheimnissen junger Mädchen. Seltsam war, dass Nell sich nicht ausgeschlossen fühlte, sondern sicher und geborgen, wenn sie hörte und sah, wie die beiden miteinander umgingen. Das gleiche Gefühl hatte sie jetzt, als sie zusah, wie die beiden Frauen lachten und ihren Spaß hatten.
    Sie trugen die gleichen Strohhüte mit Gänseblümchen im Hutband. Mrs. McCabe trug ein T-Shirt der Black Hall High School und abgeschnittene Shorts, und Tara hatte ein schwarzes Shirt mit dem Aufdruck FBI in gelben Lettern über ihren Badeanzug gezogen. Tara fuhr mitten auf der Straße, scherte wiederholt nach links und nach rechts aus, als befänden sie sich auf einem Parcours mit unsichtbaren Hindernissen. Peggys Mutter hob die bloßen Füße von den Pedalen, streckte sie in die Luft. »Huiiiii!«, juchzte sie.
    »Mom, es ist total peinlich, wie du dich benimmst«, sagte Peggy.
    »Sie kann nicht anders.« Tara hielt mit dem leuchtend blauen Fahrrad vor den Mädchen an. »Ein hoffnungsloser Fall.«
    »Du bist nur neidisch, weil ich so eine tolle Stimme habe«, konterte Mrs. McCabe.
    »Huiiiii!«, rief Tara, noch lauter, obwohl sie angehalten hatten. »Huiiiiiiiiii!«
    »Meine Güte, was für ein Schwachsinn, und das von euch beiden«, sagte Peggy, aber sie lachte. Nell versuchte es, aber sie musste daran denken, wie Tante Madeleine ihre Mutter mit ihrem perfekten Haushalt aufzuziehen pflegte – immer tipptopp, kein einziges Staubkörnchen, alles genau da, wo es hingehörte, ein Garten wie aus einem Magazin. Und noch etwas anderes erinnerte sie an zu Hause: die Gärten von Tara und Peggys Mutter, die ebenfalls hübsch und gepflegt aussahen.
    »Nell ist es nicht peinlich, wie wir uns aufführen, oder?«, fragte Mrs. McCabe.
    Nell schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Danke, da bin ich aber froh«, sagte Tara. »Also, wer will lenken?«
    »Ich«, erwiderte Peggy.
    »Einverstanden, Nell?«, fragte Mrs. McCabe. »Du denkst vielleicht, es sei ein Kinderspiel, hinten zu sitzen, aber ich sage dir, das täuscht. Du hast Handgriffe, kannst aber nicht lenken.«
    »Das ist schon in Ordnung«, meinte Nell.
    Tara zeigte Peggy die Handbremse und vergewisserte sich, dass sich der Sattel in der richtigen Höhe befand, während Mrs. McCabe Nells Sattel einstellte und ihr hinaufhalf. Ihr Arm fühlte sich stark und sicher an, und eine Sekunde lang erinnerte sich Nell daran, was es bedeutete, eine Mutter zu haben.
    Die Mädchen kurvten ein paar Mal auf der Straße hin und her, die zu Taras Haus führte, dann fuhren sie den Deich und die Strandpromenade entlang, um das Hafenbecken herum und die Straße hinauf, die an die Marsch grenzte. Sie passierten Foley’s Store und nahmen die Abkürzung über den alten Friedhof, radelten an Nells Cottage vorbei in Richtung der Landzunge. Es war, als könnte Peggy Nells Gedanken lesen.
    Peggy musste halb stehen, als sie den kleinen Hügel zu Stevies Sackgasse hinauffuhren; Nell trat mit aller Kraft in die Pedalen, um sie zu unterstützen. Hohe Bäume warfen ihre Schatten über den Asphalt, und eine frische Brise wehte vom Wasser herüber. Peggy deutete nach links und meinte, heute Nacht würde Vollmond sein und sie könnten sich vielleicht anschauen, wie er aufging.
    Aber Nell blickte gespannt nach rechts, auf Stevies Haus. Es lag im Schatten von Eichen und Kiefern; in diesem Licht wirkten die weißen Schindeln blau. Sie fragte sich, ob es wohl genauso ausgesehen hatte, als ihre Mutter und Tante Madeleine ihre Freundin besuchten, als es wirklich blau war.
    Sie dachte an das Krähenjunge und hätte gerne gewusst, ob es inzwischen fliegen konnte. Und ob Stevie jemals an sie dachte. Ob sie sich fragte, warum Nell nicht mehr zu Besuch kam.
    Ihr Vater wollte nicht, dass sie Stevie besuchte, und Nell wusste, dass es nicht daran lag, weil ihr Vater befürchtete, sie könnte Stevie beim Schreiben stören. Nein, es lag daran, dass sie von ihren Gefühlen überwältigt worden war und mit der Erklärung, dass

Weitere Kostenlose Bücher