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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Schlamm durchkämmen und eine perfekte Muschel finden. Oder in einem stockfinsteren Garten blind die Hand ausstrecken und Kräuter fürs Abendessen zu fassen bekommen.
    Vielleicht konnte Stevie doch zaubern …

    Stevie konnte kaum glauben, auf was sie sich da eingelassen hatte. Obwohl ihr Haus am Strand lag und die von den Felsen widerhallenden Geräusche der Filmvorführungen, die im Sommer jeden Donnerstagabend stattfanden, bis zu ihr heraufdrangen, war sie seit ihrer Teenagerzeit nicht mehr im Strandkino gewesen. Sie hatte Nell zusätzlich in eine warme Strickjacke eingemummelt, genau wie sich selbst, und Jack ein altes Trinity-Sweatshirt von ihrem Vater gegeben. Der Zeichentrickfilm im Vorspann endete gerade, als die drei die Fußgängerbrücke überquerten.
    Nell lief voraus, um einen guten Platz zu finden, an dem sie ihre Decke ausbreiten konnten. Der Projektor war auf der Strandpromenade aufgebaut und auf eine leicht gewellte Leinwand gerichtet, die von einem verwitterten Torpfosten herabzuhängen schien. Die Zuschauermenge war kunterbunt gemischt: Familien mit kleinen Kindern, Mädchen im Teenageralter, die von ihren Eltern Ausgang bekommen hatten, und junge Pärchen, erpicht darauf, die Dunkelheit und den rechtmäßigen Vorwand zu nutzen, miteinander auf einer Decke zu liegen.
    Peggy war auch da, mit Bay, Dan, Tara und Annie. Billy machte mit seinen Kumpeln die Strandpromenade unsicher. Alle entdeckten Nell auf Anhieb und riefen ihr zu, dass sie ihre Decken zusammenrücken und Platz machen würden. Stevie bahnte sich einen Weg durch die Zuschauermenge zu der Stelle, wohl wissend, dass man ihre Anwesenheit registriert hatte. Nell hielt stolz ihre Hand, während Jack die Decke ausbreitete.
    »Hallo, alle miteinander«, sagte Stevie.
    »Hallo Stevie, hallo Jack.«
    »Danke, dass ihr uns Platz gemacht habt«, sagte er. Die Nacht war dunkel, aber das Licht des Projektors auf der leeren Leinwand erhellte die Gesichter.
    »Gern geschehen!« Bay strahlte übers ganze Gesicht, und Stevie hätte gerne gewusst, warum. Tara schien ihr in nichts nachzustehen. Peggy bedachte sie mit einem langen Blick, der verriet, dass sie auf der Hut war; Stevie lächelte, bemüht, ihre Angst vor der vermeintlichen Hexe zu zerstreuen.
    »Wo steckt denn Joe?«, erkundigte sich Jack.
    »Oh, er sorgt für mehr Sicherheit in der großen weiten Welt«, sagte Tara. »Während ich daheim im Strandkino hocke, vogelfrei und ungebunden.«
    »Hüte deine Zunge, du bist schließlich verlobt«, warnte Bay lachend.
    »Ich weiß. Die Liebe ist eine Himmelsmacht, die dieser schnöden, grausamen Welt den Stachel nimmt. Sieh dich vor, Stevie – sobald ich vor dem Traualtar stehe und mein Jawort gebe, wirst du offiziell in den Rang der Femme fatale von Hubbard’s Point erhoben.«
    »Ich werde diesen Ehrentitel mit Würde tragen«, erwiderte Stevie lachend.
    In diesem Augenblick begann die Vorführung. Alles war noch genau wie früher, in Stevies Jugendzeit – der alte Projektor quietschte, die Filmspulen knarzten, der Ton versuchte gegen das Tosen der Wellen anzukämpfen, und das Bild wurde durch die Knitterfalten in der vom Wind gebeutelten Leinwand verzerrt. Mit anderen Worten, die Filmvorführung spottete jeder Beschreibung. Trotzdem freute sie sich unbändig, nach so langer Zeit wieder dabei zu sein.
    Jack und Nell hatten eine Kuhle gegraben, den Sandhaufen festgeklopft, so dass er eine stabile Rückenlehne abgab, und die Decke ausgebreitet. Die drei nahmen Platz, Jack in der Mitte, damit Nell neben Peggy sitzen konnte. Der Film hieß Tiger Bay, und Stevie war absolut sicher, ihn schon mit Emma und Madeleine gesehen zu haben – vermutlich war es noch die gleiche uralte Kopie.
    »Ich halte dich nicht dafür«, sagte Jack so leise zu Stevie, dass die anderen ihn nicht hören konnten.
    »Wofür?«
    »Für eine Femme fatale, eine leichtlebige Frau. Tara wollte dich nur aufziehen.«
    Stevie sah ihn verdutzt an – weil er ihr zu Hilfe kam, sie verteidigte. »Danke. Aber sie hat nicht ganz Unrecht, ich bin das schon, gewissermaßen. Ungewollt.«
    »Nein, das bist du nicht.« Er nahm ihre Hand, die unter der Decke lag, und verschränkte seine Finger mit ihren; Stevie erschauerte von Kopf bis Fuß. Niemand sah diese Geste, sie war ihr Geheimnis, erregend und gut gehütet.
    »Trotzdem danke.« Der Wind, der vom Meer herüberwehte, wurde stärker, zerzauste ihre Haare. Er streckte die Hand aus, um sie ihr aus den Augen zu streichen, und ihre Blicke

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