Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben
viertel Liter (am dritten Tag) usw. Am
sechsten Tag hat man dann bereits weniger als 50 ml Wasseraufnahme erreicht. Das
entspricht dem Inhalt von einem halben Wasserglas. Danach kann man auf diesem
Niveau bleiben oder ganz aufhören. Man kann aber auch ‚nach Gefühl’ stetig
weniger trinken, so wie es Frau B. getan hat, die nach drei Wochen starb.
4. Die Mundpflege
Von allen praktischen
Maßnahmen, den Verzicht auf Essen und Trinken erträglich zu machen, ist die
Mundpflege die wichtigste. Am Ende von Absatz 2.4 sind die Möglichkeiten
zusammengefasst, wie man das Austrocknen der Mundschleimhaut verhindern kann.
Man bedenke dabei allerdings: was dem einem gut tut, kann dem anderen
unangenehm sein. Eissplitter in einem Tüchlein, an dem man saugen kann, werden
oft als Erleichterung empfunden, aber andere gönnen sich selbst das nicht. Ein
mit Wasser gefüllter Handzerstäuber bietet Erleichterung. Die Menge Wasser, die
man damit und mit dem Saugen an den Eissplittern pro Tag zu sich nimmt, fällt
kaum ins Gewicht. Eine erfahrene palliative Pflegekraft kann die verschiedenen
Möglichkeiten erläutern. Wenn diese Erfahrungen nicht direkt und gleich von
Beginn an zugänglich sind, sollte man mit Hilfe von anderen vorher ausprobieren, was angenehm ist und was nicht. Denn, wenn sich durch die
Austrocknung der Schleimhaut im Mund erst einmal Geschwüre und Schorf gebildet
haben, wird es schwierig, sie im weiteren Verlauf erfolgreich zu behandeln.
5. Medikamente, die den Verlauf
lindern
Aus der palliativen Pflege ist
bekannt, dass ein Patient weniger über Schmerzen klagt, wenn er über die
Dosierung und den Zeitpunkt der Einnahme der Medikamente selbst bestimmen kann.
Der Hausarzt von Frau B. nutzte dieses Wissen und überließ ihr zu Beginn des
Verzichts auf Essen und Trinken einige Schlaftabletten und Tabletten gegen
Angstzustände, die sie nur sehr sparsam einnahm. Nicht alle Ärzte sind dazu
bereit, erst recht nicht, wenn sie noch nicht davon überzeugt sind, dass ihr
Patient wirklich sterben will. Einige Ärzte geben zu Beginn keine lindernden
Mittel, weil sie glauben, dass jemand in der ersten Phase des Nahrungs- und
Flüssigkeitsverzichts beweisen muss, dass er es ernst meint. Das erweckt den
Eindruck, dass der Patient dem Arzt gegenüber seinen ernsthaften Sterbewunsch
beweisen muss, um lindernde Mittel zu erhalten. Damit ist ein Konflikt zwischen
Arzt und Patient vorprogrammiert. Einige Verstorbene hatten sich, bevor sie das
Essen und Trinken aufgaben, Schlaftabletten oder andere lindernde Medikamente
für den Fall aufgespart, dass der Hausarzt sie nicht verschreiben würde. So
konnte zwar ein Konflikt verhindert werden, aber die Vertrauensbasis wurde
dadurch nachhaltig gestört.
6. Weitere praktische Maßnahmen
Eine spezielle Matratze, die
das Wundliegen verhindert, kann wichtig sein, wenn jemand, nachdem er mehrere
Tage nicht gegessen und getrunken hat, zu schwach ist, um noch aus dem Bett
aufzustehen. Wenn man zu Hause stirbt, kann eine solche Matratze bei einer
Hilfsorganisation gemietet werden; in der Schweiz oft bei sog.
Krankenmobilien-Magazinen.
Einige raten zu einem
Blasenkatheter, um die Belastung durch die Reinigungen zu minimieren. Andere
glauben, dass eine gut absorbierende Windel weniger unangenehm ist als ein
Katheter, auch deshalb, weil nach einiger Zeit die Urinmenge nachlässt.
Diese Hinweise können
selbstverständlich nicht vollständig sein. Der tägliche Besuch eines Hausarztes
und/oder die Beratung durch eine erfahrene palliative Pflegekraft können den
Patienten und seine Familie am Sterbebett sehr beruhigen. Die Ratschläge können
in jedem Fall dazu beitragen, dass das Hunger- und Durstgefühl erträglich
bleibt und der Sterbende so lange wie möglich bei Bewusstsein ist.
2.8 Zwei Beispiele aus der Praxis
Es sei angemerkt, dass in den
Niederlanden seit 2002 ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung oder Tötung auf Verlangen
möglich ist, vorausgesetzt, dass bestimmte gesetzliche Bedingungen erfüllt
sind. Dieser gesellschaftliche Kontext hat, anders als in Deutschland,
erheblichen Einfluss auf die Offenheit in Gesprächen zwischen Arzt und Patient.
2.8.1 Frau B.
Die Tochter und der Hausarzt
haben berichtet, wie Frau B. in Harmonie mit ihrer Umgebung starb, nachdem sie
aufgehört hatte zu essen und zu trinken.
Soziale Lage und
Persönlichkeit: Frau B. war immer Hausfrau und seit zwölf Jahren Witwe. Sie hatte guten Kontakt
zu ihren zwei Kindern. Sie lebte
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