Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben
Patientenverfügung (pv) 24 mit Eingriffsverbot ist rechtlich
gültig, wenn der Patientenname darauf deutlich sichtbar und das Dokument
unterschrieben und datiert ist.
Ein Hinweis in der pv auf den in Kapitel 2 besprochenen
freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit (fvnf) ist durchaus sinnvoll, weil diesem
Selbstbestimmungsinstrument weitere Funktionen zugesprochen werden. Diese
liegen in der Anregung zum Dialog und in der rechtzeitigen Vorbereitung des
Umfeldes. Auch wenn schon eine Magensonde (peg
— Sonde) gelegt wurde, ist es wichtig, in der pv aufzunehmen, dass man sich zum fvnf entschlossen hat. Ist der Patient später nicht mehr
entscheidungsfähig, so hat sich der Bevollmächtigte oder Betreuer dafür
einzusetzen, dass keine Nahrung und Flüssigkeit mehr verabreicht wird. Es geht
dann um die Beendung einer vom Patientenwillen nicht mehr getragenen und damit
rechtlich unzulässigen ärztlichen Behandlung. Wenn eine Selbsttötung mit
Medikamenten nicht zum Tod führt, weil man vorzeitig aufgefunden wurde und im
Krankenhaus behandelt wird, dann ist die pv mit Hinweis auf den fvnf von
wesentlicher Bedeutung.
In Kapitel 6 führt Rechtsanwalt
Wolfgang Putz aus, dass die Garantenpflicht in Deutschland dahingehend
modifiziert werden muss, dass die Garanten an den Sterbewillen des Patienten
gebunden sind; d. h. sie sind dann nicht mehr Garant des Lebens, sondern Garant
des Sterbewillens. Ein entsprechendes Formular befindet sich in Appendix 4.
In der Praxis wird jedoch
oftmals selbst eine deutlich sichtbar ausgelegte Patientenverfügung von
Sanitätern und Ärzten nicht beachtet, wenn sie eine noch lebende Person
antreffen. Es ist ihre Aufgabe, Leben zu retten, und sie könnten die Gültigkeit
der Patientenverfügung anzweifeln. Nicht erwünschte lebensrettende Maßnahmen
können am ehesten ausgeschlossen werden, indem eine bevollmächtigte Person die
Beachtung der Patientenverfügung sicherstellt. Diese Person muss über Zeit und
Ort der Einnahme der tödlichen Medikamente informiert werden und vor Ort oder
in der Nähe sein. Andere Schritte, wie das Verfassen eines Testaments, werden
hier nicht berücksichtigt. Dieses Buch befasst sich ausschließlich mit
Aspekten, die sich unmittelbar auf den erfolgreichen Verlauf des humanen
Sterbens beziehen.
3.2.6 Medikamententoleranz und
Entwöhnung
Nach der wiederholten Einnahme
bestimmter Medikamente lernt der Körper, sie schneller abzubauen. Das nennt man
‚Toleranz’. Von Alkohol zum Beispiel wird ein unerfahrener Trinker schneller
betrunken als jemand, der regelmäßig trinkt. Der Körper eines erfahrenen
Trinkers lernt, den Alkohol zu erkennen und ihn schneller in weniger
schädigende Stoffe umzuwandeln. Um das gleiche Rauschniveau zu erreichen, muss
der regelmäßige Trinker also die Menge des konsumierten Alkohols stetig
erhöhen.
Das Gleiche trifft bei
Medikamenten zu. Bei regelmäßiger Einnahme nimmt die menschliche Sensibilität
für manche Medikamente ab, d. h. die Wirkung lässt nach. Der schnellere Abbau
im Körper und die verminderte Empfindlichkeit bedeuten, dass eine erhöhte Dosis
erforderlich ist, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Im Falle regelmäßigen
Gebrauchs kann der Körper die Medikamente so schnell abbauen, dass der Tod
selbst mit doppelter oder noch höherer Dosis nicht eintritt. Erhöhung der Dosis
hat kein Zweck. Nur nach Entwöhnung kann man sicher sein dass die empfohlene
Dosis der Medikamente tödlich ist.
Insbesondere kommt es zu
Toleranzen bei Opiaten (Schmerzstiller, Kapitel 4.1), und in geringerem Maße
bei Barbituraten (Kapitel 4.4) und Benzodiazepinen (Schlafmittel, in diesem
Kapitel 3.2.7). Aufgrund der Toleranzen müssen diejenigen, die Benzodiazepine,
Opiate oder Barbiturate einnehmen und vorhaben, sie auch zum Sterben
anzuwenden, zuvor einen Entwöhnungsprozess durchlaufen und sie für einige Zeit
nicht mehr einnehmen. Vom abrupten Absetzen ist abzuraten, da dies zu
unangenehmen Reaktionen wie Angst und Beklemmungen führen kann. Das abrupte
Absetzen von Benzodiazepin kann sogar einen epileptischen Anfall auslösen.
Die hier beschriebene
Entwöhnung dauert einige Wochen. In der Regel werden für die allmähliche
Entwöhnung zwei bis vier Wochen empfohlen. Anschließend dauert es noch
mindestens drei Wochen bis man ‚clean’ ist. Bei Phenobarbital sind mindestens
zwei Wochen Reduktion und vier Wochen Abstinenz notwendig .Erst dann kann der
Plan, sein Leben mit Phenobarbital zu beenden, erfolgreich
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