Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben
selbstbestimmten
Sterben unter Strafe stellt. Wer sich selbst tötet oder zu töten versucht,
verwirklicht keinen Straftatbestand. Dann ist nach strafrechtlicher Dogmatik
auch die Beihilfe zur Selbsttötung nicht strafbar. 46 Der deutsche Gesetzgeber hat nie von der nach
unserer Rechtsordnung bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Beihilfe
zur Selbsttötung isoliert unter Strafe zu stellen (wie dies in manchem
europäischen Nachbarland der Fall ist). Gäbe es nur freie und
eigenverantwortliche Entscheidungen zur Selbsttötung, so wäre hiermit alles
gesagt. 47 Fraglich
wäre dann nur noch, ob sich nach der Selbsttötung eines freiverantwortlichen
Sterbewilligen bis zum Eintritt des Todes eine Situation ergibt, die zur
Hilfeleistung verpflichtet (Unterlassene Hilfeleistung nach § 323 c StGB).
Die Mehrzahl der versuchten
oder erfolgreichen Selbsttötungen sind jedoch keine zu respektierenden
Bilanz-Suizide, sondern erfolgen aus einer krankhaften Störung der geistigen
oder seelischen Befindlichkeit. Wer ‚Garant’ für Leben und Gesundheit eines
solchen — unfreien — Suizidenten ist, darf weder im Vorfeld helfen noch nach
der Tötungshandlung dem Sterben seinen Lauf lassen. Sonst wird, wer Garant ist,
wegen Fremdtötung in Form der Unterlassungstäterschaft bestraft, 48 wer nicht Garant ist,
wird wegen unterlassener Hilfeleistung bestraft. 49
Strafrechtlich muss das
Geschehen in zwei aufeinander folgende Abschnitte differenziert betrachtet
werden: zum einen die Unterstützung des Suizidenten bis zur Tat (Beihilfe), und
zum anderen die Phase nach dieser Tat bis zum Tod (Nichthindern des abwendbaren
Todeseintritts).
Es sind Fälle denkbar, in denen
die Beteiligung nur die erste Phase betrifft und andere, 50 in denen die
Beteiligung nur die zweite Phase betrifft, wenn jemand erst nach der
Suizidhandlung hinzutrifft (Auffindungssituation) und von der Vorgeschichte
keinerlei Kenntnis hat. Es sind schließlich Fälle denkbar, in denen die
Beteiligung beide Phasen betrifft. Um diese geht es hier!
Die zentrale Aussage des
Bundesgerichtshofs zum Medizinrecht 51 sagt, dass der Arzt das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1
Grundgesetz gewährleistete Recht auf körperliche Unversehrtheit auch gegenüber
einem Patienten respektieren muss, der es ablehnt, einen lebensrettenden
Eingriff zu dulden. Der Arzt darf also nicht zwangsbehandeln, auch wenn er
damit Leben rettet. Ob ein solches Verbot ärztlicher Eingriffe auch dann gilt,
wenn es sich um einen zu rettenden Sterbewilligen handelt, ist in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung erstmals 1981 im sog. Wittig-Urteil erörtert
worden. Im Fall Wittig gehört der Wille der Patientin bis zum Eintritt der
Bewusstlosigkeit zu den wesentlichen Entscheidungskriterien.
Erstmals nimmt hier die
Rechtsprechung eine unmittelbare Verknüpfung von Auffindungssituation nach
einer Suizidhandlung und ärztlichem Standesrecht zur Sterbehilfe vor. Man muss
wissen, dass genau dieses damals gültige Standesrecht durch die
Bundesärztekammer 1998 und 2004 völlig neu gefasst und neu betitelt als
‚Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung’ 52 herausgegeben wurden. Hiernach müsste heute der
Arzt prüfen, ob der Wille des Patienten einer Lebensrettung entgegensteht: ‚Liegt
weder vom Patienten noch von einem gesetzlichen Vertreter oder einem
Bevollmächtigten eine bindende Erklärung vor und kann eine solche nicht — auch
nicht durch Bestellung eines Betreuers — rechtzeitig eingeholt werden, so hat
der Arzt so zu handeln, wie es dem mutmaßlichen Willen des Patienten in der
konkreten Situation entspricht. Der Arzt hat den mutmaßlichen Willen aus den
Gesamtumständen zu ermitteln. Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen des
Patienten können neben früheren Äußerungen seine Lebenseinstellung, seine
religiöse Überzeugung, seine Haltung zu Schmerzen und zu schweren Schäden in
der ihm verbleibenden Lebenszeit sein. In die Ermittlung des mutmaßlichen
Willens sollen auch Angehörige oder nahe stehende Personen als
Auskunftspersonen einbezogen werden, wenn angenommen werden kann, dass dies dem
Willen des Patienten entspricht.’
Im Fall des Arztes Professor
Hackethal entschied das Oberlandesgericht München, 53 dass ein Arzt straflos einer unheilbar
erkrankten, zur Selbsttötung entschlossenen Patientin auf deren Verlangen ein
zur Selbsttötung geeignetes Mittel zur Verfügung stellen darf.
Zusammenfassend kann
festgestellt werden, dass weder die aktive Teilnahme ander
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