Wegweiser Nahrungsmittel-Intoleranzen
sekundäre Laktoseintoleranz.
Der endemisch vorkommende primäre Laktasemangel stellt weltweit die häufigste Form der Laktoseintoleranz dar. Rund drei Viertel der Weltbevölkerung verliert – so wie auch die meisten Säugetiere – nach dem Abstillen die Fähigkeit, Laktoseaufzuspalten. In den meisten Fällen von endemischer Laktoseintoleranz verschwindet die Enzymaktivität aber nicht plötzlich, sondern allmählich, meistens innerhalb der ersten fünf Lebensjahre. Die Laktaseaktivität geht in der Regel jedoch nicht vollständig verloren, und die Aktivität des Enzyms lässt sich in gewissem Umfang (wieder) anregen (induzieren), wenn man über längere Zeit laktosehaltige Produkte verzehrt.
Verschiedene Möglichkeiten, wie es zu Laktoseintoleranz kommen kann.
Interessanterweise gibt es eine charakteristische geographische Verteilung für die endemische Laktoseintoleranz mit einem Süd-Nord-Gefälle. In Skandinavien verlieren nur etwa 3–8 Prozent der Bevölkerung nach dem Abstillen die Laktaseaktivität. In Deutschland sind etwa 13–14 Prozent, in Österreich etwa 20 Prozent der Bevölkerung laktoseintolerant. Durch den zunehmenden Anteil von Gastarbeitern und Einwanderern ausdem Mittelmeerraum nimmt der Anteil an Laktoseintoleranten ständig zu, sodass heutzutage mit einer Häufigkeit von ca. 25 Prozent der Bevölkerung gerechnet werden muss. Im Mittelmeerraum steigt der Bevölkerungsanteil mit Laktoseintoleranz auf etwa 70 Prozent, und in Afrika nahe der Äquatorialzone haben 98 Prozent der Bevölkerung eine Laktosemaldigestion.
ZUSATZINFO
Geographie der Laktoseintoleranz und die Folgen der Globalisierung
Die Bevölkerungen Südostasiens und Zentralafrikas sowie die Bewohner der Mittelmeerländer sind häufig von Laktoseintoleranz betroffen. Wie kommt es zu diesem Süd-Nord-Gefälle?
Sonne und Vitamin D
Die gängigste Erklärung schreibt diese Verteilung der Laktoseintoleranz der Sonneneinstrahlung zu. In Ländern mit geringer Sonneneinstrahlung besteht ein höherer Bedarf, Vitamin D über die Nahrung abzudecken, weil dort die Umwandlung von 7-Dehydrocholesterin (Vorstufe von Vitamin D) in Cholecalciferol (Vitamin D3) in der Haut nur in geringem Ausmaß möglich ist. Demgegenüber steht die Beobachtung, dass verschiedene nomadische Stämme Afrikas, wie die Tuareg oder Massai, die intensive Viehzucht betreiben, Milchtrinker sind und keine Laktoseintoleranz haben. Auch in Asien ist die Mehrzahl der Bevölkerung laktoseintolerant (etwa 87 Prozent). Auch dort gibt es einige nomadische Völker, die vorwiegend von Viehzucht leben und sich auch von Milch ernähren.
Klima und Umwelt
Meiner Meinung nach hat die geographische Verteilung der Laktoseintoleranz weniger mit der Vitamin-D-Versorgung zu tun als damit, ob das jeweilige Volk darauf angewiesen war, sich von Tieren und Tierprodukten zu ernähren: Dort, wo die klimatischen Verhältnisse und die längere Sonneneinstrahlung für ausreichenden Pflanzenwuchs und damit für pflanzliche Nahrung sorgten, war es nicht nötig, sich mit Milch(produkten) zu ernähren. Die Menschen dieser Weltgegenden verloren – ebenso wie die meisten Säugetiere – mit zunehmendem Alter die Fähigkeit, Laktose aufzuspalten. Wo jedoch die Tage kurz und das Klima rau waren oder wo Nahrungspflanzen aufgrund von Wassermangel nur schlecht gediehen, mussten sich die Menschen von Tieren und tierischen Produkten ernähren. Der karge Boden zwang sie oft, als Nomaden zu leben. In solchen Regionen war es ein Selektionsvorteil, wenn man Milch trinken konnte, ohne daran zu erkranken. In diesen Kulturen wurden die Kinder auch nach dem Abstillenweiterhin mit tierischer Milch versorgt, sodass die Aktivität des Enzyms Laktase weiter stimuliert wurde. Kinder, die ständig Laktase bilden konnten, hatten bessere Überreuenschancen.
Evolution und Ernährung
Eine Folge dieser evolutionären Entwicklung ist, dass die verschiedenen Völker ihre bodenständige Ernährungsweise an ihre Enzymausstattung angepasst haben. So findet man im Mittelmeerraum eine ganz andere Küche als in England, Deutschland oder Skandinavien. In Griechenland, wo etwa 70 Prozent der Bevölkerung laktoseintolerant ist, wird Fetakäse so hergestellt, dass die Laktose durch Mikroben im Rahmen des Fermentationsprozesses weitgehend abgebaut wird. Das Gleiche gilt für andere typisch südländische Käsearten wie etwa Parmesan. Ein in der Türkei hergestellter Kefir oder Joghurt ist in der Regel fetter und laktoseärmer als das
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