Wegweiser Nahrungsmittel-Intoleranzen
vielen Laboratorien angeboten werden: Diese testen nicht selten 300–400 Nahrungsmittel auf einmal und am Ende kommen Verbotslisten mit 200 oder noch mehr Nahrungsmitteln heraus. Verständlich, wenn sich da Verzweiflung breitmacht. Ich habe schon manche stark abgemagerte Patientin in meiner Praxis gesehen, die mit Tränen in den Augen erzählte, dass sie furchtbar abgenommen habe, weil sie nicht mehr wisse, was sie noch essen dürfe.
Zu den Verbotslisten der Labors gesellen sich dann noch zahlreiche Ernährungsvorschriften von Ernährungsgesellschaften, Diätassistenten, Ernährungswissenschaftlern, Heilpraktikern oder (oft esoterisch angehauchten) Gesundheitsfanatikern, die immer neue Regeln, Gebote und vor allem Verbote aufstellen. Je schlechter es den Menschen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten geht, desto größer ist die Gefahr, dass sie Opfer einer Überreglementierung werden – mit dem Ergebnis, dass Essstörungen immer mehr zunehmen und in letzter Zeit sogar im Erwachsenenalter auftreten.
Über Geschmack lässt sich (nicht?) streiten
Wir missachten und zerstören systematisch unsere natürlichen Kontrollmechanismen für die Nahrungsauswahl.
Gäbe es die von »Experten« aufgestellten Gebote und Verbote und die Verführungen durch die Werbung nicht, würden wir unsere Nahrung auswählen wie die Tiere es tun: Diese schnuppern ein wenig und wissen dann, ob etwas für sie essbar istoder nicht. Ich bin immer wieder fasziniert, wie mein Hund ohne tiefere Kenntnis von Biochemie oder Ernährungslehre genau weiß, dass ein angebotenes Stück Styropor nicht genießbar ist, während er ein ziemlich gleich aussehendes Stück einer Reiswaffel sehr wohl frisst. Die Natur hat uns mit einer Reihe von Kontrollmechanismen ausgestattet, die wir teils zerstören, teils mit unserem »Besserwissen« aushebeln.
Das beginnt schon im Kleinkindalter. Beispielsweise wird Babynahrung nicht so hergestellt, dass sie dem Kleinkind schmeckt, sondern so, dass die Mutter sie mag! Denn die Käuferin der Babynahrung ist ja die Mutter und nicht das Baby. Das Kleinkind hat aber hundertmal mehr Geschmacksrezeptoren auf der Zunge als die Mutter und damit einen ganz anderen Geschmackssinn. Was der Mutter schmeckt, ist für das Baby wahrscheinlich zu süß, zu scharf, zu bitter usw. Wer kennt nicht das Bild vom Baby, das liebevoll mit »gesundem« Spinat gefüttert wird, den es aber »unerklärlicherweise« immer wieder ausspuckt? Hier wird der Geschmackssinn – und mit ihm einer der wichtigsten Kontrollmechanismen – gewaltsam überwunden.
»Verbesserte« Lebensmittel und die liebe Gewohnheit
Bekanntlich geht Liebe »durch den Magen«. So werden Kinder bereits mit Nahrung, die es von Natur aus gar nicht gäbe, belohnt – ihre Zuneigung »erkauft« – oder sie werden gar mit Nahrungsentzug bestraft. Auch die Lebensmittelhersteller wissen, dass Kinder (wenn sie dann etwas älter sind) perfekte »Käufer« sind, weil sie ihren Eltern so lange in den Ohren liegen, bis sie das bekommen, worauf ihre Sinne trainiert wurden. Dafür sorgt neben der Werbung und den »speziell abgestimmten« Babynahrungen neuerdings (bzw. in naher Zukunft) »speziell abgestimmte« Nahrung für Schwangere. Die soll den sich entwickelnden Geschmackssinn des Ungeborenen (!) in einer Weise beeinflussen, dass das Kind, wenn es dann auf der Weltist, zum »perfekten« Konsumenten für die entsprechende Kindernahrung wird.
ZUSATZINFO
Was sind funktionelle Lebensmittel?
Funktionelle Lebensmittel (englisch: Functional Food), sind Lebensmittel, die mit Substanzen angereichert werden, um ihren gesundheitlichen Wert zu erhöhen. Allerdings ist diese »Funktionsverbesserung« in der Regel nicht wissenschaftlich erwiesen. Sie wird meistens aus den positiven Eigenschaften oder Wirkungen abgeleitet, die man den zugefügten Substanzen zuschreibt.
Die bekanntesten funktionellen Lebensmittel sind pro- und präbiotische Joghurts, mit Vitaminen und/oder Mineralstoffen versetzte Säfte, mit Ballaststoffen angereicherte Produkte, Brote mit Omega-3-Fettsäuren oder Margarine mit Phytosterinen.
Vor allem gesundheitsbewusste Menschen kaufen veränderte (»funktionelle«) Lebensmittel.
Interessanterweise sind die »Opfer« dieser Strategie der Lebensmittelhersteller gerade diejenigen Menschen, die besonders auf ihre Gesundheit und die gesundheitliche Qualität von Nahrungsmitteln bedacht sind. So herrscht schon seit längerem ein erbitterter Konkurrenzkampf zwischen Herstellern
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