Wehe Dem, Der Boeses Tut
Zeit kennengelernt … oder? Irgendwie hatte sie das Gefühl, ihn schon ihr Leben lang zu kennen.
Er folgte einer Serpentinenstraße am Clackamas River entlang ins Vorgebirge. An einer Haltebucht am Straßenrand stellte er den Jeep ab und half Adria einen schmalen Pfad hinunter, der ans Wasser führte. In der Dunkelheit roch sie das klare Wasser, feuchte Erde und Fichtennadeln und spürte die Gewalt des Flusses, der tosend zwischen den Felsen hindurchrauschte.
Ein kalter Wind fegte durch die Schlucht, schlug Adria ins Gesicht. Als sie sich fröstelnd die Arme rieb, zog Zach seine Denimjacke aus und legte sie ihr über die Schultern, ohne sie dabei auch nur mit den Fingerspitzen zu streifen. »Ich dachte, du würdest das hier gern einmal sehen wollen«, sagte er, als sei er ihr eine Erklärung schuldig. »Immer wenn ich mich unsicher oder verwirrt fühle, ziehe ich mich für einige Zeit an einen Ort zurück, wo ich die Naturgewalten so richtig spüren kann. Manchmal hilft es mir, einen klaren Kopf zu bekommen. Wenn ich mich in Küstennähe befinde, gehe ich ans Meer und beobachte die Wellen. Wenn ich mich auf der Ranch aufhalte, reite ich in die Berge zu den Bächen, die in den Deschutes River münden, und wenn ich in der Stadt bin, nun, dann fahre ich meistens hierher.«
»Allein?«, fragte sie. Er lächelte, dass seine Zähne in der Dunkelheit blitzten.
»Immer.«
Ein Nachtvogel schrie klagend und der Wald mit seinen uralten Bäumen schien sie zu umschließen, vom Rest der Welt abzuschneiden. »Du hast mir von dieser Fehde erzählt«, drang sie weiter in ihn und sah, wie die Anspannung wieder von ihm Besitz ergriff.
»Sie hört nie auf, wie? Der gute alte Witt – der großartige Mann, von dem du hoffst, beweisen zu können, dass er dein Vater ist – war genauso hart und starrsinnig wie sein alter Herr. Witt war zu allem bereit, um das Vermögen und den Namen der Danvers' zu bewahren.«
»Du mochtest ihn nicht.«
»Nie«, bekannte Zach.
»Aber du hast ihn geachtet?«
»Ich habe den Scheißkerl gehasst.« Zach starrte auf den Fluss, und im bleichen Mondschein sah Adria seine Züge, schroff und hart und ohne eine Spur von schlechtem Gewissen.
»Und deine Mutter?«
Er schnaubte, presste die Lippen zusammen. »Eunice … Sie ist eine Klasse für sich. Kompliziert«, sagte er nachdenklich, als müsse er seine Worte sorgfältig abwägen. »Was sie sagt, ist eine Sache, was sie tut, ist eine ganz andere.«
Adria kannte die Geschichte von Eunice Patricia Prescott Danvers Smythe bereits. Als junge Frau war Eunice als Braut für Witt Danvers die gesellschaftlich korrekte Wahl gewesen. Als einziges Kind reicher Eltern verfügte sie über eigenes Vermögen, einen scharfen Verstand und ein herrschaftliches Auftreten. Allerdings sagte man ihr auch erheblichen Eigensinn nach. Manche hielten sie für verwöhnt und hochnäsig … und für eine vernachlässigte Frau. Man munkelte von anderen Frauen in Witts Leben, besonders als er noch jünger war, und Maria, das Hausmädchen, hatte bestätigt, dass in der Stadt Gerüchte über Witts Affären kursierten, die auch an Eunices Ohr drangen. Obwohl sie ihm bereits zwei Kinder geboren hatte, einen Sohn und eine Tochter, war Witt mit seiner eigensinnigen Frau nicht zufrieden und verbrachte deshalb so manche Nacht außer Haus.
Maria hatte erwähnt, dass sie einmal einen Streit belauscht hatte, in dem Eunice Witt der Impotenz beschuldigte, doch das waren wahrscheinlich nur die rachsüchtigen Worte einer verbitterten Frau gewesen, denn immerhin waren aus der Ehe zwei weitere Kinder hervorgegangen: Zachary und Nelson.
Über Zacharys Erzeuger war allerdings von Anfang an spekuliert worden. Jetzt blickte Zach immer noch auf den dunklen, wütenden Fluss hinaus.
»Mir scheint es, als ob ihr alle deiner Mutter am Herzen liegt«, bemerkte Adria vorsichtig.
»Meine Mutter hat uns im Stich gelassen.
»Weil sie keine andere Wahl hatte.«
Seine Kiefer mahlten. »Das behauptet sie.« Er beugte sich hinab, hob einen Stein auf und schleuderte ihn mit all seiner angestauten Wut über den Fluss hinweg.
»Hattest du erwartet, dass sie bei deinem Vater bleibt?«
»Nein«, sagte Zach knapp, hob einen weiteren Stein auf und warf ihn mit Macht in die Schlucht hinein. Dann ging er, als sei ihm die Vergeblichkeit seines Tuns bewusst geworden, zu einer alten Fichte hinüber und lehnte sich gegen die raue Borke. »Ich habe erwartet, dass sie uns mitnimmt.«
»Aber sie konnte doch
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