Wehe Dem, Der Boeses Tut
geringsten Grund dafür, Zach zu erklären, dass sie sich mit Mario Polidori treffen würde. Zach war wütend geworden, als sie Marios Anruf erwähnte. Und sie hatte endgültig genug von seiner überbehütenden Art. Zum einen Teil führte er sich auf, als sei er ihr älterer Bruder, zum anderen sah es so aus, als wollte er ihr Lover sein.
Widerstreitende Gefühle tobten in ihr, und sie kam zu dem Schluss, dass sie Abstand von Zach brauchte, um einen klaren Kopf zu bekommen, sich wieder auf ihre Mission zu besinnen. Sie musste herausfinden, ob sie London Danvers war. Wenn ja, dann würde sie gegen die ganze Danvers-Sippe um das kämpfen, was ihr von Geburts wegen zustand. Wenn nicht …, dann würde sie abreisen. Oder Zachs Geliebte werden. Wie auch immer, sie ging das Risiko eines emotionalen Selbstmords ein.
Sie parkte ihren zerbeulten Wagen am Straßenrand in der Nähe des alten Gemüsemarkts, mit dem Stefano Polidori seinerzeit den Grundstein zu seinem Vermögen gelegt hatte. Der Markt, nur vier Häuserblocks vom Hotel Danvers entfernt, war inzwischen nicht mehr in Betrieb; auf dem Grundstück sollten neue Bürohochhäuser entstehen.
Mario wartete, an einen Laternenpfahl in der Nähe eines irischen Pubs gelehnt. »Ich habe schon fast nicht mehr mit Ihnen gerechnet«, begrüßte er sie.
Adria fühlte sich unbehaglich, doch es gelang ihr, ihre Nervosität zu verbergen. »Ich sagte doch, dass ich kommen würde.«
»Ich weiß, aber ich fürchtete, Ihr Freund könnte Sie überredet haben, mich zu versetzen.« Er straffte sich und lächelte ihr strahlend und liebenswürdig entgegen.
»Mein Freund?«
Mario öffnete die Tür zu der Bar und ließ Adria den Vortritt. »Zachary Danvers. Ihr Bruder.« Adria wurde flau im Magen.
»Hat er sich etwa nicht als Ihr Leibwächter betätigt?«
»Er hat sich als gar nichts betätigt«, widersprach Adria und betrat vor Mario den verräucherten Raum. Lachen und lautes Stimmengewirr schallten vom Tresen herüber. Gläser klirrten, Billardkugeln klickten und Dartspfeile sausten durch die Luft. Eine Jazzband spielte auf einer behelfsmäßigen Bühne, doch die Musik ging größtenteils im Lärm unter.
Ohne zu fragen bestellte Mario zwei Irish Coffee, bevor er aufs Geschäftliche zu sprechen kam. »Mein Vater und ich wüssten gern, ob Sie über unser Angebot nachgedacht haben.«
»Ein wenig«, erwiderte Adria ausweichend. Gerade stellte eine schlanke Kellnerin zwei große Glasbecher vor ihnen ab. »In Wahrheit sieht es aber doch so aus, dass ich mit Ihnen oder Ihrem Vater überhaupt keine Vereinbarungen treffen kann.« Mit einem dünnen Plastikhalm rührte sie die grünen Schlieren von Crème de Menthe in die Schlagsahne auf dem Kaffee.
»Das ist gar nicht so sicher.«
»Ich habe ja nicht einmal Gewissheit darüber, wer ich bin. Aber falls ich erfahren sollte, dass ich London bin, werde ich keine Forderungen an das Unternehmen stellen.«
Überrascht zog der junge Polidori die dunklen Augenbrauen hoch. »Ihnen würde mehr als die Hälfte des Unternehmens gehören.«
»Ich bliebe trotzdem immer die Außenstehende.«
»Aber –«
»Da, wo ich herkomme, Mario, überlegt man erst, bevor man redet, und eines kann ich Ihnen offen sagen: Ich plane nicht, irgendetwas an Danvers International zu verändern oder Teile des Unternehmens zu veräußern. Sofern ich dort nicht gerade auf himmelschreiende Unfähigkeit stoße, werde ich mich wohl kaum in die Leitung einmischen.«
»Das überrascht mich.« Nachdenklich schlürfte er seinen Drink und musterte sie abschätzend.
»Ich bin der Meinung, dass man Altbewährtes nicht auf Biegen und Brechen ändern sollte«, sagte sie und dachte an lange, heiße Sommertage unter der sengenden Sonne Montanas und daran, wie oft ihr Vater ihr diesen Rat gegeben hatte. Ihr Vater … Der Mann, der sie großgezogen hatte, der ihr so oft in einer Geste, die ihr allein vorbehalten war, die Hand auf die Schulter gelegt hatte. Jetzt fehlte er ihr, und für sie stand fest, dass Victor Nash für immer ihr Vater bleiben würde – auch wenn bewiesen wurde, dass Witt Danvers der Mann war, der sie gezeugt hatte.
»Erzählen Sie mir mehr von sich«, bat Mario, doch Adria lächelte nur.
»Ich möchte Sie nicht langweilen. Ich bin auf einer Farm in Montana aufgewachsen, habe die ganze Woche hindurch gearbeitet, bin sonntags zur Kirche gegangen – mehr gibt es da nicht zu erzählen.«
»Das bezweifle ich«, sagte er lauernd.
»Erzählen Sie mir doch lieber
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