Wehe Dem, Der Boeses Tut
von sich und Ihrer Familie. Da gibt es bestimmt bedeutend Interessanteres als die Heuernte und das Einkochen von Marmelade.«
»Sie spielen mit mir.«
»Nein, ich möchte es wirklich wissen«, beteuerte sie. »Kommen Sie schon. Wie war es für Sie, als Anthony Polidoris Sohn aufzuwachsen?«
Marios Lächeln wurde breiter, seine dunklen Augen blitzten. »Es war die Hölle«, sagte er spöttisch. »Diener, Chauffeure, zwei Häuser in Portland, eine Mietwohnung auf Hawaii und eine Villa in Mexiko. Kein Kind sollte so leiden, wie ich leiden musste.«
Adria musste lachen.
Er erzählte ihr Geschichten über katholische Privatschulen, aufbrausende Nonnen und lange Lineale, mit denen die frommen Schwestern die Schüler auf Handflächen und Fingerknöchel schlugen, wenn sie nicht fromm genug waren. Sie erfuhr vom frühen Tod seiner Mutter, die wahrscheinlich an ihrer Hilflosigkeit gegenüber ihrem dickköpfigen Sohn und ihrem ebenso starrsinnigen Gatten gestorben war, und von seinen eigenen Kämpfen mit seinem Vater.
»Aber offenbar haben Sie doch jetzt eine enge Beziehung zu ihm«, bemerkte Adria.
»Damals war ich jünger. Rebellisch. Aufmüpfig.« Er zuckte die Schultern. »Sie müssen doch wissen, wie das ist …«
»Ach ja?«
»Aber jetzt sind Sie an der Reihe, Adria. Erzählen Sie von sich.«
Sie sah in seine dunklen Augen und plötzlich kam ihr eine überraschende Erkenntnis. Ganz gleich, wie sie zu ihm stand – dieser Mann würde sie gern verführen. »Warum haben Sie mich eigentlich um dieses Treffen gebeten?«
»Nun, da waren natürlich die geschäftlichen Fragen hinsichtlich Danvers International«, sagte er und schien sich über ihre plötzliche Zurückhaltung zu amüsieren. Offenbar liebte er die Herausforderung. »Aber außerdem wollte ich Sie gern wiedersehen und Sie besser kennenlernen.« Er nahm einen Schluck von seinem Irish Coffee, runzelte die Stirn und gab mehr Zucker hinein.
»Okay, aber lassen Sie mich eines klarstellen«, sagte Adria. »Ich lasse mich nicht so leicht manipulieren.« Sie traute ihm nicht, wusste jedoch, dass er ihr Informationen über die Familie Danvers verschaffen konnte, die ihr vielleicht weiterhelfen würden.
»Das glaube ich.« Er winkte den Kellner heran und bestellte noch einmal das Gleiche. »Ich glaube, wir beide könnten eine Menge voneinander lernen.« Sein Lächeln war unverhohlen anzüglich.
Von einer dunklen Gasse auf der anderen Straßenseite aus beobachtete Trisha die Szene. Sie sah Mario mit Adria, und Eifersucht ergriff von ihr Besitz. Wütend dachte sie daran, wie viel sie für ihn aufgegeben, wie sehr sie ihn geliebt hatte, wie viel sie geteilt und miteinander gelitten hatten. Doch offenbar bedeutete ihm all das gar nichts.
Tränen brannten in ihren Augen. Seit jeher hatte sie sich auf ihr abgebrühtes Auftreten etwas eingebildet, auf ihre Fähigkeit, selbst unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol ihren allgegenwärtigen Schmerz zu verbergen.
Mit zitternden Händen zündete sie sich eine Zigarette an und inhalierte den Rauch tief. Sie hätte ihre Affäre mit Mario schon vor Jahren beenden sollen, war aber einfach nicht in der Lage gewesen, ihn zu vergessen. Immer wenn sie sich gerade selbst davon überzeugt hatte, dass sie über die Sache hinweggekommen sei, rief er an oder schickte ihr eine einzelne Blume, und schon warf sie sich wieder in seine offenen Arme. Selbst während ihrer kurzen Ehe hatte sie die Affäre mit Mario heimlich fortgesetzt, hatte ihren Mann belogen, betrogen, ihm Hörner aufgesetzt, weil sie ihr hartnäckigstes Laster nicht aufgeben konnte: Mario Polidori.
Sie war ein junges Mädchen gewesen, als sie Mario kennenlernte, und es war aufregend gewesen, sich hinter dem Rücken ihres Vaters mit ihm zu treffen – und hinter dem Rücken seines Vaters. Er hatte sie mit Wein und Marihuana bekannt gemacht und als Gegenleistung hatte sie ihm auf dem Rücksitz des roten Cadillac Eldorado seines Vaters ihre Unschuld geopfert. Ihre Kunstbegeisterung war eingeschlafen, sie schwänzte die Seminare, nur um sich mit ihm zu treffen – am Fluss, in einem Stundenhotel, auf einer Wiese, irgendwo, wo sie wild und frei sein und über ihre verbohrten alten Väter und deren alberne Fehde lachen konnten.
Der Kloß in ihrem Hals wurde dicker, während sie durch die Caféhausgardinen des irischen Pubs spähte. Gerade warf Mario den Kopf in den Nacken und lachte mit blitzenden Zähnen. Trishas Eingeweide krampften sich zusammen und sie ballte in
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