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Wehe Dem, Der Boeses Tut

Wehe Dem, Der Boeses Tut

Titel: Wehe Dem, Der Boeses Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
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erleuchtet.
    Beide Betten waren leer und unbenutzt. Die Bettdecken waren zurückgeschlagen, zwei Pfefferminzplätzchen lagen unberührt auf den Kopfkissen.
    Vor Angst schnürte sich Kats Kehle zusammen. »London?«, fragte sie matt.
    Sie lehnte sich benommen gegen den Türpfosten. Als ihr Blick auf den offenen Schrank fiel, sah sie, dass er leer war. Kleider, Taschen, Schuhe – alles war verschwunden. Und von London und Ginny keine Spur.
    Lieber Gott, gib, dass das alles ein schrecklicher Irrtum ist. Sie ging weiter in das Zimmer hinein. Eine eisige Kälte überlief sie. Nicht in Panik geraten! London war hier. Sie musste hier sein. Doch etwas stimmte nicht … Düstere Angst kroch ihr den Rücken hinauf und krampfte ihr Herz zusammen.
    »Witt?«, rief sie und wunderte sich selbst, wie ruhig ihre Stimme klang. Nun, wahrscheinlich lag doch nur ein Missverständnis vor. Das Kindermädchen hatte London sicher in ein anderes Zimmer gebracht, damit Witt und Katherine ungestört waren. »Witt!«
    »Wa-was?« Witt taumelte zur Tür und lehnte sich gegen den Pfosten. »Was ist los?«, fragte er schwerfällig. Für einen Augenblick empfand Kat nichts als grenzenlose Verzweiflung – als hätte man sie ihrer Seele beraubt.
    »Ruf den Sicherheitsdienst! Hier stimmt etwas nicht – London und Ginny sind fort. Wahrscheinlich sind sie nur in einem anderen Zimmer, aber ruf trotzdem für alle Fälle den Sicherheitsdienst und den Geschäftsführer.« Ihr Verstand, sonst immer so kühl und zuverlässig, drohte auszusetzen vor Sorge um ihr Kind. Dennoch gab sie sich alle Mühe, ruhig und vernünftig zu bleiben. Es war nur ein Missverständnis, weiter nichts. Kein Grund, hysterisch zu werden – vorerst nicht. Warum zitterten dann ihre Knie? O Gott, bitte gib, dass meinem Baby nichts passiert ist!
    Witt machte ein paar Schritte ins Zimmer hinein, riss dabei die Lampe um und fluchte. Als ihm klar wurde, dass seine Tochter tatsächlich verschwunden war, begann er Kommode und Bett auseinanderzunehmen, als könne er dort sein geliebtes Kind finden oder zumindest einen Hinweis darauf, wo es geblieben war.
    »Hör auf! Überlass das der Polizei!« Kat fiel ihm in den Arm. »Ruf einfach den verdammten Sicherheitsdienst!«
    »Sie ist nicht verschwunden«, sagte Witt, plötzlich wieder stocknüchtern. »Sie kann nicht fort sein. Sie ist im Hotel. Nur im falschen Zimmer.« Er riss die Tür auf und brüllte in den Flur: »Jason! Zach! Kommt her, schnell!« Dann wandte er sich Katherine zu und sagte: »Wir finden sie. Und dieses verfluchte Kindermädchen. Und wenn ich sie gefunden habe, werde ich Ginny Slade für diesen Streich den Hals umdrehen!«
    Witts Worte klangen zuversichtlich, doch er war aschfahl im Gesicht, und Katherine war überwältigt von Schuldgefühlen und der kalten, bohrenden Angst, ihre Tochter womöglich nicht mehr lebend wiederzusehen. Sie liebte London, aufrichtig und von ganzem Herzen. Nun musste sie daran denken, wie oft sie auf das kleine Mädchen eifersüchtig gewesen war, weil es der Liebling des Vaters war, und sie fragte sich vage, ob dies wohl die Strafe dafür sein sollte. Sie glaubte nicht an Gott, aber … Oh, bitte, bitte, gib, dass ihr nichts zugestoßen ist! Sie eilte zurück in ihr Zimmer und wählte mit zitternden Fingern die Nummer der Rezeption. Noch bevor der Nachtportier sich melden konnte, sagte sie: »Hier spricht Katherine Danvers. Schicken Sie mir den Sicherheitsdienst. Zimmer 714. Und rufen Sie die Polizei. London ist verschwunden!«

4. Kapitel
    W itt öffnete die beiden obersten Knöpfe an seinem Hemd und blickte hinaus auf die Stadt, die er liebte, die Stadt, der er vertraute. Die Straßenlaternen, die Wolkenkratzer, der Verkehrsstrom, alles sah genauso aus wie an jedem anderen Sonntagmorgen vor Sonnenaufgang. Dennoch erschien ihm die Stadt auf einmal finster und bedrohlich. Portland, seine Heimatstadt, hatte sich gegen ihn gewandt.
    Er sah sein Spiegelbild in der Scheibe, geisterhaft und blass über der Skyline im Osten. Sein Gesicht war verhärmt, sein Blick wirkte ängstlich, seine Schultern kraftlos. Er sah aus, als sei er nicht sechzig, sondern neunzig Jahre alt.
    Wer auch immer sein Baby entführt hatte, würde dafür bezahlen. Doch eine düstere Befürchtung raubte ihm schier den Verstand. Wenn sie nun nie gefunden wurde?
    Er sträubte sich gegen den Gedanken. Natürlich würde man sie finden. Sie war schließlich London Danvers, verdammt noch mal. Wer wagte es, ihm zu trotzen, ihn an

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