Wehe Dem, Der Gnade Sucht
hinunterstieg. Aber sie tat es nicht.
KAPITEL 40
Elena Krieger bahnte sich einen Weg durch das überfüllte Jack Hammer. So gut sie konnte, wich sie den Feiernden aus und schaffte es an die Bar. Dort setzte sie sich auf einen Hocker und sah sich um.
»Hallo – möchtest du was trinken?«
Elena drehte sich um. Neben ihr stand ein junger muskulöser Mann, der sie lüstern musterte. Sein Blick war benebelt. Sehr wahrscheinlich nicht nur vom Alkohol, dachte Krieger. Zur Jeans trug er ein weißes Muscleshirt und um den Hals ein Lederband mit einer Muschel daran. Er war blond, braun gebrannt und sah gut aus. Mit seinen vollen Lippen und blauen Augen erinnerte er Krieger an Captain Morton. Sein Akzent verriet den echten New Yorker – aus Queens möglicherweise. Krieger betete im Stillen, dass man ihr die Transe auch abnahm – was sie jetzt gleich ausprobieren konnte. »Ich will dasselbe wie du«, sagte sie mit betont tiefer Stimme und gab sich dabei keine Mühe, ihren deutschen Akzent zu verbergen. Vielleicht machte der ja ein paar von den Typen hier an.
»Gute Wahl«, sagte er und winkte dem Barkeeper zu, ohne den Blick von Krieger abzuwenden. »Hab dich hier noch nie gesehen. Zum ersten Mal da?«
»Ja«, bestätigte sie.
Er reichte ihr eine Flasche Bier. »Weg damit!«
»Prost!«
Er trank und wischte sich mit seinem kräftigen Unterarm über den Mund.
»Und wo kommst du her? Österreich oder so?«
»Fast. Deutschland.«
»Hey, cool. Gibt es da solche Bars wie die hier?«
»Klar, in Berlin«, sagte sie, obwohl sie keine Ahnung hatte. Sie war noch nie in Berlin gewesen.
»Cool«, wiederholte er und trank mehr Bier.
Trotz der schummrigen Beleuchtung konnte sie deutlich erkennen, dass seine Augen gerötet waren, die Pupillen verkleinert, und dass seine Hände merklich zitterten. Was für Drogen er wohl genommen hatte? Wahrscheinlich Kokain. Vielleicht auch noch ein paar andere. Elena trank aus ihrer Flasche und schaute sich in der Bar um.
»Und was macht ein nettes Mädchen wie du in so einem Schuppen?« Er kippte den Rest seines Biers hinunter, dann warf er die Flasche in einen Abfalleimer hinterm Tresen und winkte dem Barkeeper erneut zu, einem riesigen Schwarzen mit Ohrring und Tattoos.
Kurz darauf brachte der zwei neue Bier.
»Danke«, sagte Elenas neuer Bekannter grinsend. Ohne die beiden eines Blickes zu würdigen, kassierte der Schwarze ab.
»Ich bin übrigens Matthew«, stellte sich der junge Mann dann Elena vor und streckte ihr die Hand hin. »Nenn mich einfach Matt. Machen alle.«
»Hallo, Matt«, sagte Elena und schüttelte ihm die Hand. Sie war warm, trocken und voller Schwielen. Möglicherweise Handwerker, überlegte Elena. Matt sah sie erwartungsvoll an. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte, sich einen falschen Namen zuzulegen.
»Ich bin … Lenny«, sagte sie schnell. »Oder besser ich war Lenny. Jetzt bin ich … Lottie.«
»Trink aus, Lottie«, sagte Matt, während er ihr die zweite Flasche hinschob. Elena leerte ihr Bier in großen Zügen und warf die Flasche in den Abfall hinter der Bar. Dann hob sie die zweite Flasche.
»Auf neue Freunde!«
»Darauf trink ich«, sagte Matt und nahm einen Schluck. »Und was machst du, wenn du dich amüsieren willst, Lottie?«
»Kommt darauf an mit wem«, antwortete Krieger und klimperte mit ihren falschen Wimpern. Dabei übertrieb sie so, dass sie nicht wie eine Frau wirkte, sondern wie ein Mann, der eine Frau imitierte.
»Und hast du auch noch alles zu bieten?«, fragte Matt.
Sie begriff sofort, was er damit meinte. Er wollte wissen, ob sie noch einen Penis hatte wie ein richtiger Transvestit. Der Moment der Wahrheit war gekommen. Jetzt würde sich zeigen, ob ihre Maskerade erfolgreich war.
»Rate mal«, sagte Elena und drückte ihren muskulösen Schenkel gegen Matts Bein.
»Hm, schauen wir mal nach«, sagte er und wollte ihr in den Schritt greifen.
Schnell drehte sie sich weg und packte seinen Arm, dann legte sie seine Hand auf ihre Brust. »Abwarten«, sagte sie. »Fass erst mal die hier an.«
»Hey, die sind super«, sagte er und drückte ihre Brust. »Wo hast du die machen lassen?«
»Das ist mein Geheimnis.« Sie nahm wieder Matts Hand und saugte an seinen Fingern.
Stöhnend schloss er die Augen und legte den Kopf zurück.
»Und das ist erst der Anfang«, versprach sie. Im nächsten Moment spürte sie einen scharfen Schmerz am linken Ohr, und ihr wurde schwarz vor Augen.
Als sie wieder zu sich kam, lag sie am Boden
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