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Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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umzudrehen.

KAPITEL 43
    Um zehn Uhr klingelte Lees Telefon. Es war Kathy. Sie klang einfach furchtbar.
    »Können wir uns treffen? Ich muss dich unbedingt sehen.«
    »Wo bist du denn?«
    »Im Life Café.« Sie begann zu schluchzen.
    »Was ist denn los?«
    »Das sage ich dir, wenn du hier bist.«
    »Zehn Minuten«, sagte er.
    Kathy saß an einem Ecktisch und starrte aus dem Fenster, als Lee das Café betrat. Ihre Augen waren geschwollen und rot. So hatte Lee sie noch nie erlebt. Kathy wirkte so verloren. Als sie ihn bemerkte, lächelte sie traurig und ihr Kinn zitterte.
    »Was ist denn passiert?«, fragte Lee und küsste sanft ihre Wange. Kathys Haut schmeckte salzig. Lee setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber.
    »Meine Mitbewohnerin hat mich aus Philadelphia angerufen heute früh. Mein Kater ist heute Nacht gestorben.«
    »Das tut mir wirklich leid. War er krank?«
    »Nein, eigentlich nicht, nur alt.«
    »Wie alt denn?«
    »Das weiß ich gar nicht genau – ich hatte ihn aus dem Tierheim. Gerade war er noch zu Hause und jetzt … ist er weg. Ich kann einfach nicht fassen, dass sein Leben so plötzlich vorbei ist – und ich ihn nie wiedersehe. Mir kommt es so vor, als wäre er irgendwie noch immer um mich herum.« Sie seufzte tief und hielt die Tränen zurück. »Ich meine das nicht irgendwie esoterisch, aber der Tod ist etwas so Fundamentales …«
    »Als meine Großmutter gestorben ist, habe ich noch wochenlang Frauen auf der Straße gesehen, die mich an sie erinnert haben«, erwiderte Lee. Schnell sah er weg, weil er Angst hatte, dass Kathy eine Bemerkung über seine Schwester machen könnte, doch zu seiner Erleichterung tat sie das nicht.
    Die Kellnerin kam zu ihnen an den Tisch – ein hübsches mondgesichtiges Mädchen mit Gothic-Schmuck und einer violetten Strähne im Haar. Lee bestellte Kaffee – der Kaffee im Life Café war dunkel, stark und gut.
    »Es ist merkwürdig«, sagte Kathy und wickelte sich geistesabwesend die Papierserviette wie einen weißen Ring um den Zeigefinger. »Seit sie mich angerufen hat, kann ich nur daran denken, wie er ins Schlafzimmer geschlichen ist oder in die Küche kam und nach seinem Futter verlangt hat. Nun wird er das alles nie wieder tun.«
    »Vielleicht hinterlassen wir so etwas wie einen energetischen Fingerabdruck … wer weiß«, sagte Lee. »Es gibt so viel auf dieser Welt, das wir noch nicht verstehen.«
    »Ich hätte nie geglaubt, dass Abwesenheit so … präsent machen könnte.«
    Lee versuchte, nicht an die schrecklichen Tage und Nächte nach Lauras Verschwinden zu denken. Die ganze Zeit hatte er sich damals ihre letzten Stunden ausgemalt, ihre letzten Minuten. In seinen Albträumen hatte er immer wieder ihre Leiche gesehen. Aber eben nur in seinen Träumen. Er hatte nie die Chance bekommen, richtig zu trauern, weil seine Schwester nie gefunden worden war. Trotzdem wusste er genau, dass sie tot war. Damals hatte jede junge Frau ihn an sie erinnert, und heimlich warf er ihnen vor, dass sie noch am Leben waren, während Laura hatte sterben müssen.
    »Wenigstens ist mir die Entscheidung erspart geblieben, ihn am Ende … du weißt schon«, sagte Kathy.
    »Ja, bei meinem Hund musste ich mich dazu durchringen.«
    »War es sehr schlimm?«
    »Ich war nicht darauf vorbereitet gewesen. Vorher hätte ich mir nie ausgemalt, wie schwer einem so eine Entscheidung fallen kann. Es kam mir falsch vor, eine solche Macht über ein anderes lebendes Wesen zu besitzen. Und dann schockierte mich diese Endgültigkeit. Nachdem es vorbei war, hätte ich seinen Tod am liebsten rückgängig gemacht – als ob das möglich wäre.«
    Kathy lächelte matt. »Ich sollte wirklich am besten wissen, wie unumkehrbar der Tod ist, aber wenn es dann jemanden trifft, der mir so wichtig war, kann ein Teil von mir das einfach nicht fassen.« Sie sah ihn entschuldigend an. »Klingt das lächerlich?«
    »Natürlich nicht«, antwortete Lee, weil sie es hören wollte. »Ich verstehe dich genau.«
    »Ich begreife nicht, wie Menschen es schaffen, diese Entscheidung bei ihren Familienangehörigen zu treffen.« Kathy schüttelte den Kopf. »Wenn einem das schon bei einem Hund so schwerfällt, wie fühlt man sich dann erst … Oh Gott, entschuldige bitte!« Sie errötete. »Ich wollte damit nicht … also, ich wollte nicht unsensibel sein.«
    Er legte seine Hand auf ihre. »Wir haben alle persönliche Verluste erlebt und müssen uns früher oder später mit dem Tod auseinandersetzen.«
    »Im Moment ist das

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