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Wehe wenn der Wind weht

Wehe wenn der Wind weht

Titel: Wehe wenn der Wind weht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Kind gewesen war.
    Wann hatte Diana angefangen zu vergessen?
    Edna wußte es nicht. Über die Jahre war die Vergangenheit für sie verschwommen geworden und sie wußte, daß etwas von Dianas Wahnsinn auf sie übergegangen war, so sehr sie auch dagegen ankämpfte.
    Und Wahnsinn war es, wie sie schließlich vor sich selbst zugeben mußte.
    Mit der schrecklichen Ehrlichkeit, die mit dem Alter kommt, erkannte sie auch, daß es ihre eigene Schuld war.
    Sie war zu streng zu Diana gewesen. Sie hätte nie der Wut, die sie auf ihr Kind hatte, Luft machen dürfen. Aber entweder tat sie das oder sie würde selbst verrückt werden, und lange Zeit sah es so aus, als ob Diana doch gesunden würde.
    Und dann eines Tages vor fast dreißig Jahren war Diana nachmittags vom Reiten heimgekommen. Ihre Kleider waren zerrissen und ihr Gesicht war schmutzverklebt.
    Edna hatte sie gefragt, was geschehen sei, doch Diana hatte sie nur furchtsam angesehen, war in Tränen ausgebrochen und dann hinauf in die Kinderstube gelaufen. Sie hatte die Tür verschlossen und war erst am nächsten Tag wieder herausgekommen. Und am näch sten Tag, als Edna sie wieder gefragt hatte, was geschehen sei, schien Diana völlig durcheinander.
    »Was wann geschehen ist?« hatte sie gefragt.
    »Gestern«, hatte Edna erwidert. »Als du vom Reiten heimkamst, warst du völlig verschmutzt.«
    Dianas Augen waren verwirrt geblieben. »Aber ich bin doch gestern gar nicht geritten«, hatte sie gesagt. »Ich war den ganzen Tag in meinem Zimmer.«
    Gleich wie sehr Edna sie bedrängte, sie war immer bei ihrer Geschichte geblieben.
    Die Monate waren vergangen, und bald wurde offensichtlich, daß Diana schwanger war.
    Aber sie wollte es nicht zugeben.
    Schließlich, als die Schwangerschaft nicht mehr zu verheimlichen war und Diana sich noch immer weigerte, zur Kenntnis zu nehmen, daß es so war, hatte Edna die Initiative ergriffen. Und Diana, die ihre Tage glücklich in der Kinderstube verbrachte, nahm alle Vorschläge Ednas ruhig hin.
    Sie hörte damit auf, auszugehen, sie traf sich nicht mehr mit ihren Freunden, sie rief sie nicht mehr an. Und wenn sie zu Besuch kamen, erzählte Edna ihnen, daß Diana für eine Weile verreist sei.
    In gewisser Hinsicht stimmte das sogar.
    Während die Schwangerschaft fortschritt und Diana sie weiterhin ignorierte, begriff Edna, daß ihre Tochter sich irgendwie von sich selbst gelöst hatte. Diana, das erkannte Edna, hatte einfach beschlossen, nicht schwanger zu sein.
    Ganz unauffällig hatte sich Edna daran gemacht, herauszufinden, wer der Vater war. Es war nicht schwierig gewesen - einer der Rancharbeiter, ein Mann namens Travers, begann am Haus herumzulungern, und schließlich sprach Edna mit ihm.
    Er hatte die Absicht, Diana zu heiraten.
    Edna hatte ihn ausbezahlt und ließ ihn seine Sachen packen und verschwinden.
    Es war ihr Stolz, der sie daran hinderte, Diana fortzuschicken oder zu einem Arzt zu gehen.
    Für Edna wie für Diana war Schwangerschaft ohne Ehe schlimmer als der Tod. Wenn das Baby kam, wollte Edna sehen, wie sie es loswürde.
    Und dann kam das Baby.
    Irgendwie hatte Edna es geschafft.
    In der Nacht, in der es geboren wurde, hatte der Wind geweht, und Diana, die nicht auf das vorbereitet war, was geschehen würde, hatte eine sehr schwere Zeit gehabt.
    Kurz vor Morgengrauen hatte sie ein kleines Mädchen geboren, ein wunderschönes Kind.
    Nachdem das Kind geboren war, hatte Edna es in die Kinderstube gebracht und in eine Korbwiege gelegt. Und das Kind hatte angefangen zu weinen.
    Als Diana erwachte, nachdem sie den ganzen nächsten Tag durchgeschlafen hatte, weinte das Baby noch immer.
    Diana ignorierte das Geräusch.
    Edna fragte Diana, ob sie ihr Baby sehen wollte.
    »Welches Baby?«
    Edna biß sich auf die Lippe.
    »Dein Baby, Diana. Dein kleines Mädchen. Willst du es nicht sehen?«
    Das Weinen des Babys war aus der Kinderstube deutlich zu hören.
    »Ich weiß nicht, was du meinst, Mama«, sagte Diana.
    Edna, die nicht wußte, was zu tun sei, tat nichts. Sie verließ Dianas Zimmer und ging nach oben, um das Baby zu trösten.
    Doch das Baby weinte weiter, als ob es die Ablehnung seiner Mutter spürte.
    Das Weinen währte vier Tage lang, und am fünften Tag begann der Wind wieder zu wehen.
    In dieser Nacht erwachte Edna aus einem unruhigen Schlaf, und sie lauschte dem Geräusch des Windes, der heulend aus den Bergen hernieder fuhr. Sie lauschte nach dem Baby, doch sie hörte es nicht weinen.
    Sie ging hoch in die Kinderstube,

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