Wehrlos: Thriller
Aufgeregt hatte er ihr erzählt, dass er gesehen hatte, wie ein Krokodil zum Mittagessen ein Huhn verspeiste. Was das Treffen mit seinem Vater anging, so war er weniger gesprächig gewesen. Niels hatte pünktlich um drei Uhr an die Tür geklopft. Rachel hatte die beiden zum Ø restad Café begleitet und sich dann entfernt, damit sie alleine eine Tasse Schokolade trinken konnten. Sie war mit zusammengekrampftem Magen, die Hände in den Taschen zu Fäusten geballt, im Viertel nervös auf und ab gegangen. Und dann war die Zeit vorbei gewesen. Niels hatte sich verabschiedet und Sacha versprochen, ihn bald wieder zu besuchen, dann war er gegangen.
Rachel hatte den Rollstuhl nach Hause geschoben und gebetet, dass das Leben wieder seinen normalen Lauf nehmen möge.
Den Rest des Nachmittags über hatten sie Sachas Zimmer aufgeräumt und seine Kleidung aussortiert. Rachel hatte eine CD mit Abzählreimen aufgelegt, um beide in Stimmung zu bringen. Das Aufräumen hatte ewig gedauert, aber sie hatten viel Spaß gehabt. Jetzt schlief Sacha, den Mund leicht geöffnet, die kleinen Arme um den Belugawal geschlungen, das Gesicht glatt und entspannt. »Mein Liebling«, murmelte sie.
Rachel zog sich aus, putzte sich die Zähne und kehrte ins Wohnzimmer zurück, um die Lichter auszumachen. Sie zog den Stecker des Handys, das sie zum Aufladen auf die Arbeitsplatte gelegt hatte, aus der Dose. Sie hatte zwei SMS bekommen:
Danke für die Zeit mit Sacha. Ich hoffe, ihn bald wiedersehen zu können. Niels.
Rachel seufzte. Seit vier Jahren wartete sie auf eine solche Nachricht. Ihre Gefühle waren widersprüchlich. Sie würde später antworten und las die nächste SMS .
Such HR 10 2 809 LDA /Polsen
Jesu
Rachel stand eine Weile wie erstarrt da. Was soll das denn nun wieder? Sie wählte sofort die Nummer und ließ es mindestens zwanzigmal klingeln. Weder eine Antwort noch eine Mailbox – wie bei den letzten Malen. Sie schrieb entnervt:
Verstehe den Code nicht. Du kannst nicht Jesus sein.
Wer bist du?
Sie wartete mehrere Minuten in der lastenden Stille. Dann sah sie auf die Uhr. 1 . 30 Uhr. Zu spät, um Samuel anzurufen. Also hinterließ sie ihm eine Nachricht, die er beim Aufwachen finden würde.
Habe gerade eine SMS von RR 21 bekommen
»Such HR 10 2 809 LDA /Polsen« Ein Datum für HR ?
Weißt du, was LDA bedeutet? Bis bald, R.
Sie ging ins Internet und suchte erfolglos eine Weile nach einer Verbindung zwischen dem 28 . Oktober 2009 und Hannibal Reed. Schließlich gab sie auf und ging schlafen. Als sie im Bett lag, sammelte sie die E-Mails von Christa ein, um sie wegzuräumen. Und plötzlich fiel ihr der Betreff einer Nachricht von Anfang Juni ins Auge.
Von: Christa
An: Niels
Betreff: Behandlung
Niels, seit fast einem Monat hast du mir nicht mehr geschrieben. Hast du vielleicht vergessen, dass du eine Mutter hast? Von deinem Sohn ganz zu schweigen … Wann wirst du dich endlich um ihn kümmern? Was ihn betrifft, so habe ich eine unglaubliche Neuigkeit. Eine meiner Freundinnen hat mir einen außergewöhnlichen Arzt empfohlen, Doktor Wang in Kopenhagen. Er kann mir helfen und vielleicht auch Sacha. Mit Rachel kann ich nicht darüber reden, ich habe Angst, ihr falsche Hoffnungen zu machen. Ich brauche etwas Geld, denn die Sache ist nicht billig. Kannst du mir dieses Mal aushelfen? Danke. Mama.
Plötzlich war Rachel hellwach.
Von: Niels
An: Christa
Ich schicke dir das Geld postalisch. N.
KAPITEL ACHTZEHN
Als Rachel Sacha rufen hörte, zeigte der Wecker 7 . 40 Uhr an. Mühsam öffnete sie die Augen und schaltete das Radio ein.
»Ich koooomme, mein Liebling!«, rief sie ihm zu.
Noch im Halbschlaf plante sie ihren Tag: eine Liste sämtlicher Ärzte namens Wang in Kopenhagen erstellen, mit Sacha in den Park gehen, Renoksens Mitarbeiter überprüfen. Rachel streckte sich.
Nach dem Frühstück, das üppiger war als während der Woche – Rührei, Schinken, Käse –, zog Rachel sich und ihren Sohn an und ging rasch mit ihm nach draußen, um die Sonne zu genießen. Die Schaukel und das Karussell waren schon von Kindern belagert.
Thomas, Jesper, Sofie und sogar Else und Marianne saßen auf den Bänken und unterhielten sich. Als Rachel zu ihnen kam, beschlossen sie, ein großes Spiel auf dem Rasen zu machen, ehe sie Hähnchenflügel und Sardinen grillen würden.
Am frühen Nachmittag kehrten Rachel und ihr Sohn gesättigt und erschöpft in ihre Wohnung zurück. Rachel zog Sacha die Schuhe aus.
»Und nun ab zum Mittagsschlaf,
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