Wehrlos: Thriller
Ihres Sohnes. Wussten Sie, dass meine verstorbene Mutter eine Stiftung für behinderte Kinder gegründet hat?«
»Nein.«
»Es handelt sich um eine sehr einflussreiche Stiftung, die über bedeutende Mittel verfügt. Daher würden wir Sie und Sacha sehr gern zu einem Treffen nach Atlanta einladen. Wir möchten etwas für den Kleinen tun. Die Untersuchungen sind teuer, und ich meine verstanden zu haben, dass Sie alleinerziehend sind. Das muss für Sie finanziell sehr schwierig sein.«
Das Telefon ans Ohr gepresst, hatte Rachel die Augenbrauen hochgezogen. »Und im Austausch dafür wollen Sie natürlich, dass ich meine Klage zurückziehe?«, hatte sie gefragt.
»Treffen wir uns doch und besprechen das alles persönlich. Ich kann Ihnen Flugtickets für das kommende Wochenende schicken.«
Da hatte Rachel in den Hörer geschrien: »Ich will weder Ihr Geld noch Ihre Pseudogroßzügigkeit! Selbst wenn Sie mich zum Schweigen bringen könnten, würden andere weiter Ihr Vorgehen anprangern. Sie haben meinen Sohn vergiftet. Ihre Fabriken, Ihre Nahrungsergänzungsmittel sind schuld daran, dass er nie laufen können wird. So einfach kommen Sie nicht davon!«
»Nur die Ruhe. Sie wissen nicht, worauf Sie sich da einlassen. Sie sollten Ihre Worte zudem mit Bedacht wählen.«
»Ich weiß genau, was ich sage.«
»Überlegen Sie sich trotz allem meinen Vorschlag, denn die Klage wird auf keinen Fall Erfolg haben.«
Zitternd und zutiefst verbittert, hatte Rachel das Gespräch beendet.
■ ■ ■
Bei dieser Erinnerung musste Rachel ihre Wut hinunterschlucken. Angespannt machte sie sich auf die Suche nach einem anderen, sehr kurzen Artikel, den sie mitten im Stapel fand. Eine Kurzmeldung in einer kalifornischen Tageszeitung.
SANTA CRUZ , 18 . Oktober 2009
Reed Industries streitet alles ab.
Nature Oil Corporate, vertreten durch Donald Mayor von der Kanzlei William und Fenton, Anwalt des Stammhauses Reed Industries, bestreitet die Ergebnisse der Tests, die von Supplements Safety durchgeführt wurden, und verkündet, dass ihre Produkte ungefährlich sind. Hierzu legt er ein Gegengutachten vor, das nur einen minimalen PCB -Gehalt in den Kapseln der Nahrungsergänzungsmittel aufzeigt. »Unsere Produkte sind konform mit den Bundesgesetzen und den industriellen Standards«, erklärt Donald Mayor. » PCB sind überall in der Umwelt vorhanden, was bedeutet, dass jeder Fisch zumindest Spuren von PCB enthält. Fischöle sind seit Jahrzehnten risikolos in Gebrauch.«
Rachel rümpfte die Nase. Zu jedem Gutachten von Supplements Safety hatte Reed ein Gegengutachten beigebracht, das die Unschädlichkeit seiner Produkte nachwies. Jede Analyse kostete tausend Dollar, denn sie erforderte eine doppelte chemische Prüfung. Jeff Roger und der Verein, die bereits einhunderttausend Dollar für den Test von hundert verschiedenen Kapseln auf dem Markt ausgegeben hatten, ganz zu schweigen von den Anwaltskosten, verfügten nicht mehr über die nötigen Mittel. Mangels weiterer Analysen war die Anklage abgewiesen und das Verfahren endgültig eingestellt worden.
Rachel betrachtete ihre von Papieren bedeckte Wand. Einen Becher mit heißem Tee in den Händen, setzte sie sich wieder vor das Puzzle, das sie zusammengestellt hatte.
Damals, im November 2009, war sie zutiefst niedergeschlagen gewesen. Irgendwie war es Reed Industries gelungen, sich das Schweigen der Fachleute zu erkaufen und aus der ganzen Sache herauszukommen, ohne Federn lassen zu müssen, zumindest solange sich für Jeff Roger nicht neue Geldquellen auftaten, um weitere Analysen zu erstellen. Inzwischen verkaufte die Firma ihre wahrscheinlich noch immer kontaminierten Kapseln an Männer, Frauen und vor allem Mütter, die damit ihre Babys dem Risiko einer Missbildung aussetzten, wie sie Sacha widerfahren war. Rachel wühlte in ihrem Papierstapel und heftete eine E-Mail, die sie vor dem Gipfel in Kopenhagen im Dezember 2009 erhalten hatte, an einen anderen Teil der Wand. Absender war ein Mitglied von Green Growth USA aus Boston mit dem Beinamen Jesus.
Datum: Sonntag, 06/ 12/2009 3:12 Uhr
Von: Jesus
An: Rachel
Hi, Rachel,
ich habe deinen Blog gelesen. Ich bin erschüttert von dem, was du schreibst. Am 10 . Dezember komme ich zur COP nach Kopenhagen. Ich muss dich dringend sprechen.
Sag mir, wann wir uns irgendwo treffen können.
J.
Von: Rachel
An: Jesus
Hi, Jes’,
ab 8 . Dezember bin ich beim Gipfel. Danke für Deine Nachricht, über die ich mich sehr gefreut habe. Ich bin
Weitere Kostenlose Bücher