Wehrlos: Thriller
sie einen klaren Kopf behalten wollte, musste sie nochmals alles überprüfen, auch wenn es quälend für sie war.
Sie suchte in ihren Papieren und kramte schließlich einen Zeitungsausschnitt hervor. Rachel, die nach Sachas Geburt bei einem Alert-Dienst eine Anfrage angemeldet hatte, um alle Artikel aus dem Netz zu bekommen, die sich mehr oder weniger mit den PCB befassen, hatte am Morgen des 2 . Januar 2009 folgenden Text in ihrem E-Mail-Postfach gefunden:
SAN FRANCISCO –
Warnung vor Nahrungsergänzungsmitteln
Gewisse Nahrungsergänzungsmittel, die wegen ihres Gehalts an Omega- 3 -Fettsäuren gekauft werden, enthalten auch chemische Stoffe, die seit 1979 verboten sind. Das teilte eine Anwaltsgruppe mit, die am Montag eine Klage einreichte, um die Hersteller zu zwingen, einen Warnhinweis für die Verbraucher anzubringen. Nahrungsergänzungsmittel-Kapseln, die reich an Omega- 3 -Fettsäuren sind, enthalten nämlich der Klageschrift zufolge Konzentrationen polychlorierter Biphenyle ( PCB ), welche deutlich über dem gesetzlich zulässigen Höchstwert liegen. »Verbraucher, die von den Vorteilen der Fischöle profitieren möchten, sollten nicht das Risiko eingehen, einen hochtoxischen chemischen Stoff zu verzehren«, bekräftigte Peter Show, einer der Anwälte der Kläger. Die Verwendung von PCB mit ihrer hohen Beständigkeit in der Umwelt wurde 1973 untersagt, seit 1979 ist auch die Herstellung verboten. Die Großen Seen und der Hudson River sind noch nach jahrzehntelangen Reinigungsmaßnahmen massiv mit PCB verseucht.
In Japan haben sich 14 000 Menschen durch die mit Reisöl gefütterten Fische vergiftet, und zahlreiche Studien belegen die toxische Wirkung der PCB auf die Fortpflanzung, die Entwicklung von Babys und Krebserkrankungen.
Aus der Klageschrift geht hervor, dass die Fischölkapseln der Marke Nature Oil Corporate eine PCB -Kontamination aufweisen, die weit über den 1986 von der kalifornischen Gesetzgebung festgelegten Grenzwerten liegt. »Der Hersteller dieser Kapseln verwendet das Öl von Fischen, die in den Großen Seen gefischt werden und für ihre hohe PCB -Belastung bekannt sind«, fährt der Anwalt fort. »Das Stammhaus Reed Industries behauptet, die Nahrungsergänzungsmittel seien zur Verringerung der PCB -Konzentration aufbereitet worden«, fügt Jeff Roger hinzu, einer der Kläger und Gründer der Verbraucherschutzorganisation Supplements Safety. »Unsere Messungen zeigen jedoch, dass die Konzentrationen die gesetzlich zulässigen Werte bis um das Zehnfache überschreiten.«
Jeff Roger, der Vorsitzende von Supplement Safety.
Rachel hatte sofort Kontakt mit ihm aufgenommen.
Reed Industries, bis in die 1980 er-Jahre nach Monsanto der zweitgrößte Hersteller von PCB , hatte nicht nur komplett verseuchte Industrieflächen quasi ungereinigt zurückgelassen, sodass Böden und Flüsse insbesondere in der Region der Großen Seen kontaminiert blieben, sondern hatte auch noch die Dreistigkeit besessen, in den kontaminierten Gewässern zu fischen, um Öle für den Massenkonsum zu produzieren, die in eine als »gesundheitsfördernd« deklarierte Produktpalette Eingang fanden.
Der Zynismus von Reed kannte keine Grenzen.
Im Februar 2009 , als erste Schritte eingeleitet wurden, hatte sich Rachel der Klage von Jeff Rogers Organisation angeschlossen und die Ergebnisse der Plazentauntersuchungen, die das Krankenhaus durchgeführt hatte, zur Verfügung gestellt. Jeff hatte ihr versichert, sie würden alles Erdenkliche unternehmen. Rachel hatte die Angelegenheit Tag für Tag verfolgt, hatte in ihrem Blog ihre Geschichte erzählt und alle neuen Informationen weitergegeben. Bis sie im September 2009 einen ungeheuerlichen Anruf erhielt.
»Miss Karlsen, ich bin Beth, die Assistentin von Mister Henry Reed. Er würde gerne mit Ihnen sprechen.«
Rachel hatte einen Moment gezögert und dann den klassischen Satz für solche Fälle ausgesprochen: »Die Akte befindet sich bei meinem Anwalt, ich habe Mister Reed nichts zu sagen.«
»Guten Tag, Rachel, hier spricht Henry Reed«, hatte sie in diesem Moment bereits am anderen Ende der Leitung vernommen.
Der Vizepräsident von Reed Industries.
»Was wollen Sie?«, hatte sie schließlich aggressiv gefragt.
»Ich habe Ihren Blog gelesen und von der Klage erfahren, die Sie zusammen mit Supplements Safety eingereicht haben. Darüber würde ich mich gerne mit Ihnen unterhalten.«
»Ich höre.«
»Mein Vater und ich sind sehr besorgt wegen Ihres Problems und dem
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