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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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eine zwar zähe, aber glatte Masse. Sie wandte sich wieder dem Rezept zu. »Nussgroße Häufchen auf das Backblech setzen.« Mit gerunzelter Stirn folgte sie der Anweisung. »Mit einem Löffel oder einer Gabel platt drücken.« Ihr Handy vibrierte, um den Eingang neuer Anrufe anzuzeigen, die sie jedoch ignorierte.
    So gut sie konnte, drückte sie die Häufchen platt, doch diese klebten widerspenstig am Metall des Löffels fest. Sie versuchte es mit einer Gabel, dann mit einem Holzspachtel, doch das Ergebnis war jedes Mal das Gleiche. Schließlich nahm sie die Finger zu Hilfe. »Zehn bis zwölf Minuten im vorgeheizten Ofen backen.« Okay. Das Blech mit den unregelmäßigen Keksgebilden verschwand im Ofen. Rachel wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und betrachtete das Ausmaß der Katastrophe. Alles war voller Mehl, Zucker und Teigspritzern. Um die Küche wieder in ihren ursprünglichen, das heißt wenig benutzten Zustand zu versetzen, verbrachte sie die nächste Zeit damit, alles zu putzen und sämtliche Utensilien abzuwaschen, die sie benutzt hatte.
    Zwölf Minuten später war das Ergebnis nicht wirklich das erhoffte. Die Cookies entpuppten sich als schiefe, zu lange gebackene Sandplätzchen. Rachel seufzte entmutigt. Und das blöde Handy hört nicht auf zu vibrieren ! Sie löste die Kekse mit einem Spachtel vom Backblech und schichtete sie auf einen Teller.
    »Fertig!«, rief sie, doch dann brach ihre Stimme. Sie stützte sich auf die Arbeitsplatte und biss sich heftig auf die Lippe, um das Schluchzen zu unterdrücken. Nun war die Zeit gekommen … noch nie hatte sie so viel Angst gehabt. Wenn sie nur ihren Sohn noch ein wenig vor der Realität des Lebens schützen, ihm diese zusätzlichen Qualen ersparen könnte. Er hatte schon so vieles zu ertragen. Sie hörte das vertraute Rutschen von Sachas Knien auf dem Parkett. Gleich wäre er bei ihr und würde ihr seine Ärmchen entgegenstrecken. Schweren Herzens setzte Rachel ihn in seinen Stuhl. Sie nahm ihm gegenüber Platz und streichelte seine kleine Hand.
    »Mein Großer, Mama muss dir etwas sagen.«
    »Ich will ein Cookie!«
    »Und das magische Wort?«, fragte sie automatisch.
    »Bitte.«
    Rachel gab ihm eines. Sacha betrachtete das Gebäck zweifelnd. »Das ist kein Cookie, es ist keine Schokolade drin.«
    »Doch, doch, mein Herzblatt, das sind Mamas Cookies. Wenn du willst, können wir Marmelade daraufstreichen.«
    Misstrauisch biss Sacha in den Keks. Rachel probierte ebenfalls. Gar nicht mal so schlecht. »Also«, fuhr sie fort und nahm all ihren Mut zusammen. »Oma hat heute nicht kommen können, um dir deine Cookies zu backen, weil sie einen schlimmen Unfall hatte.« Rachel drückte sein Händchen stärker. »Oma ist von uns gegangen, mein Liebling.«
    Die großen, sanften Augen des Jungen weiteten sich.
    »Wohin denn?«
    »Oma ist weit weg, und sie wird nicht zurückkommen.«
    Die Worte kamen zögernd über ihre Lippen. »Sie ist tot, mein Liebling.«
    »Wie Pippis Mama?«
    »Ja, mein Herzblatt.«
    »Ist sie auch in den Wolken?«
    »Ja, nein … ich weiß nicht.«
    »Wohin geht man denn, wenn man tot ist?«
    »Auf den Friedhof …«
    »Was ist das?«
    »Ein Ort, wo die Toten ruhen. Vorher legt man sie in einen Sarg.«
    »So wie bei Schneewittchen, als sie den vergifteten Apfel gegessen hat?«
    »Ähm … ja.«
    »Ein gläserner Sarg im Wald bei den sieben Zwergen?«
    »Ja, oder aus Holz. Und hinterher vergräbt man ihn in der Erde.«
    »Ach so.«
    Sacha knabberte an seinem Keks. Rachel strich über seinen Kopf und zog ihn an sich.
    »Und kommt sie nicht mehr wieder?«, fragte Sacha und stieß dabei eine Krümelwolke aus.
    »Nein, mein Häschen, wenn man tot ist, kommt man nicht mehr zurück. Aber sie weiß, dass du sie lieb hast, und hat dich auch sehr lieb.«
    »Ich will aber Oma sehen.«
    »Das geht nicht, mein Herzblatt.«
    »Und stirbst du auch?«
    »Nein, natürlich nicht!«, log Rachel überzeugend. »Ich bleibe immer bei dir.«

KAPITEL ZWEI
    Das erste Glas Aquavit stürzte sie in einem Zug hinunter. Das zweite auch. Das dritte schenkte sie sich noch mit sicherer Hand ein und trank es in kleinen Schlucken. Sie saß am Fenster, blickte in die Nacht und wartete auf den glücklichen Moment, da sich ihre Sinne trüben und der quälende Schmerz in ihrem Magen aufhören würde. Der Kummer war unerträglich, unmenschlich.
    Sacha war schließlich eingeschlafen, nachdem er ihr unendlich viele Fragen gestellt hatte, drei Geschichten vorgelesen haben

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