Weiberabend: Roman (German Edition)
werden. Ich denke mir, dass ich erwachsener sein sollte. Ich denke daran, diese ruhige, völlig beherrschte Stimme anzuwenden, wie Gretchen Oates: »Also, Aaron, warum benutzen wir nicht lieber unsere Sprache? Wollen wir mal darüber nachdenken, ob Schreien und Toben uns glücklich macht und wir dadurch bekommen, was wir wollen?« Dann denke ich daran, wie ich dieses dumme »wir« verabscheue. Diese Ausdrucksweise will ich eigentlich nur in folgendem Satz verwenden: »Wir wollen doch mal eines klarstellen: Ich bin ein menschliches Wesen. Beschimpf mich nicht wie den letzten Dreck, während ich deine Wäsche falte, dein Frühstück mache und deine Lunchbox mit Sachen fülle.«
Bevor wir das Haus verlassen, verliere ich noch dreimal die Beherrschung. Weil Frank den Müll nicht rausgebracht hat. Weil Jamie die Zahnpastatube nicht zugeschraubt hat. Weil ich hier alles allein machen muss.
Manchmal erlebe ich auch einen guten Morgen. Meistens zufällig gerade dann, wenn ich nachts mal genug geschlafen habe. Oder nicht meine Tage habe. Oder wenn ich mich an diesem Tag auf etwas freuen kann, das nichts mit den Kindern zu tun hat – eine Massage, einen Friseurtermin, vielleicht sogar mit Föhnen, oder einen Kaffee mit Helen. An manchen Tagen schaffe ich sogar volle vierundzwanzig Stunden, ohne zu schreien, zu drohen oder die Beherrschung zu verlieren. Das sind zufällig meistens gerade die Tage, an denen die Kinder nicht müde und nörgelig sind, an denen sie zusammen spielen und nicht versuchen, einander oder den Katzen ernsthaften körperlichen Schaden zuzufügen. Vielleicht ist es einfach so, dass sie ruhig sind, wenn ich ruhig bin, und dass ich ruhig bin, wenn sie ruhig sind – aber keiner von uns will den Anfang machen.
Doch meistens bin ich zu meiner größten Schande nicht wie diese engelsgleiche Frau in Cosettes Lied. Ich bin eine elende, erschöpfte, reizbare, schrille, nörgelnde, schwitzende Frau im beinahe mittleren Alter, die herumrennt, denn Aaron muss mit diesem hartnäckigen Husten zum Arzt, Jamie halbwegs regelmäßig zum Schwimmkurs, und beide Kinder müssen pünktlich zur Schule, dort muss im Fundbüro nach Jamies verlorener Mütze gesucht werden (ich kaufe ihr auf keinen Fall eine neue – sie verliert ständig irgendwas und wird sonst nie lernen, den Wert von etwas zu schätzen), die Kinder von der Schule wieder nach Hause gefahren, das Abendessen (darunter etwas, das Aaron zu essen bereit ist) gemacht und die beiden dann ins Bett gebracht werden (glücklich und zufrieden). Das ist eine verdammt lange »To-do-Liste«, jeden Tag. Ruhe und Sanftmut halten dieses Rennen oft nicht bis zum Schluss durch.
Ob ich denn nicht selbst Kinder wollte? Aber natürlich wollte ich. Ich war geradezu krankhaft mütterlich, und das schon beunruhigend früh – ich habe von meinem Taschengeld Babykleider gekauft und gesammelt, für die Babys, die ich eines Tages bekommen würde. Ich habe umsonst den Babysitter gespielt – ich fand es einfach herrlich, diese winzig kleinen Wesen im Arm zu halten, sie zu füttern, an ihren zarten, flaumigen Köpfchen zu schnuppern, und ihnen kleine Liedchen vorzusingen, die mir wie von selbst aus der Kehle sprudelten. Mit einer verdrehten Logik fürchtete ich, dass mein sehnlicher Wunsch, Mutter zu werden, von Unfruchtbarkeit zerstört werden sollte (wie bei Sarah in der Bibel). Aber in einem Punkt war ich sicher: Ich würde warten, bis ich neunzig bin, wenn ich nur eines Tages mit meinen eigenen kostbaren kleinen Babys belohnt würde. Genau wie Sarah.
Nach beiden Geburten war ich völlig high vor postpartaler Euphorie. Ich lächelte Fremde mit steinernen Mienen an, brachte endlich Geduld für Senioren am Steuer auf und widerstand mit Leichtigkeit diesem kleinlichen »Nun fahr schon« oder »Grüner wird’s nicht, Opa«, so erfüllt war ich von dem Gefühl, dass Engel mich berührt hatten. Franks Bemerkung, der Tiger sei endlich von einer winzigen Person in Windeln gezähmt worden, klang wie eine Lobrede. Ich wollte Kinder, oh ja. Und wenn ich jetzt die Wahl hätte, würde ich keinen einzigen Tag ohne sie sein wollen. Mein Herz blutet vor aufrichtigem Mitleid mit allen, die keine Kinder haben oder bekommen können. Aber nach sieben Jahren ist die Romantik so ziemlich verflogen. Jetzt haben meine Kinder die Mami in mir geweckt, die nicht ganz so entzückend ist, wie ich gehofft hatte. Sie kann ein ziemliches Miststück sein.
Ich habe gehört, dass es bei Beziehungsproblemen klüger
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