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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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gewunden.
    »Was hast du gegen einen weiteren Jungen?«, fragt Tam und wischt an einem Saucenfleck auf ihrem rosa Trainingsanzug herum. »Jungs sind etwas Wunderbares.«
    »Ich hab schon zwei«, sagt Helen. »Ich hätte lieber noch ein Mädchen, vielen Dank.«
    Die arme Tam. Ich glaube ja, dass alle Frauen sich insgeheim sehnlichst eine Tochter wünschen. Das soll nicht heißen, dass ich Frauen mit zwei oder drei Söhnen bemitleide, die behaupten: »Ich wollte wirklich nur Jungs.« Selbsttäuschung ist ein ganz legitimer Trostspender. Dooly tut mir schrecklich leid. Es muss schwer sein, zu wissen, dass sie es nicht noch einmal versuchen kann. Ich hatte eben einfach nur Glück. Jamies Ankunft rief bei Frank und bei mir Erleichterung hervor. In meinem Fall lösten sich alle Sorgen über das Geschlecht weiterer Nachkommen in Luft auf. Und Frank war vermutlich froh, dass ich mich jetzt vielleicht zufriedengeben würde – brauchen wir wirklich mehr als zwei Kinder?
    Als ich zum zweiten Mal schwanger war, brach mir beim Ultraschall schier der kalte Schweiß aus. »Was waren das für Knötchen zwischen den Beinen?« »Keine Sorge, nur ein Penis und zwei Hoden.« KEINE SORGE? Tagelang wand ich mich, hin- und hergerissen, doch schließlich freundete ich mich mit dem Gedanken an, dass ich einen Sohn bekommen würde. Vielleicht würde er ja zu einem verweichlichten, Gedichte lesenden Bücherwurm heranwachsen. Ja, ein liebenswerter Schlappschwanz. Ein leidender Künstler. Womöglich schwul, mit hervorragendem Geschmack für Mode und wahrem Flair in der Küche. Eine Art mädchenhafter Junge. Aber offensichtlich habe ich das Bestellformular nicht richtig ausgefüllt und deutlich gemacht, was ich mir vorgestellt hatte. Denn ich bekam das andere Modell geliefert.
    Ich erziehe Jamie so, wie ich atme – ohne darüber nachdenken zu müssen, ohne große Anstrengung. Ich spüre einfach ihre Faszinationen, Ängste oder Sorgen. Ich spüre ein Band, das mich mit ihr verbindet, uralt und dauerhaft. Aaron erziehe ich eher so, wie ich Fahrrad fahre – mit großem Unbehagen und dem ständigen Wunsch, endlich absteigen zu dürfen. Ich werde wohl nie begreifen, warum er weint, wenn Lachen angebracht wäre, und lacht, wenn er weinen müsste. Meine Ruhe scheint ihn wahnsinnig zu machen, meine Wut bringt ihn zum Kichern. Mich mit dem Kopf zu rammen, ist bei ihm anscheinend eine Geste der Zuneigung; furzen ein Wettkampfsport, der gemeinsam am meisten Spaß macht; meinen zarten, mühsam gehegten Wicken mit dem Schwert die Köpfe abzuschlagen, eine gesunde Aktivität an der frischen Luft; und die grässlichen Monster und Bestien auf seinen Yu-Gi-Oh-Karten sind offenbar »cool«. »Bekommst du davon denn keine Alpträume?«, frage ich fürsorglich. Er schnaubt verächtlich und drückt sie fester an sich. Ohne sie kann er erst gar nicht schlafen. Jeden Tag kämpfe ich mit dem rätselhaften Rubik-Zauberwürfel seiner Wut, etwa wenn der Erdnussbutter-Toast klebrige Spuren an seinen Fingern hinterlässt. »Leck doch die Finger ab«, schlage ich vor. »Nein! Ich will nicht«, brüllt er. Ich biete ihm eine Serviette an. »Du sollst das machen!«, kreischt er. »Ich denke, du kannst dir schon selbst die Finger abwischen«, schlage ich vor. »Ich bin doch noch so klein«, sagt er. »Und ich esse nie wieder Erdnussbutter!« Als wäre das eine Art Bestrafung für mich. Männliche Logik.
    Es gibt aber auch tröstliche Momente in dieser Schule des Geschlechterkampfs. Ich nehme Franks morgendliche Erektion (die stets in meine Richtung zeigt, als sei es meine Aufgabe, dieses Problem zu lösen) nicht mehr persönlich – weil Aaron genauso aufwacht. Mit der Hand in der Hose herumzulaufen und sich im Schritt herumzufummeln scheint ein männlicher Instinkt zu sein und nicht von schlechten Manieren auf Franks Seite zu zeugen. Ich erkenne endlich an, dass es bei Jungs einen gewissen Punkt gibt, ab dem sie Reden als Belästigung einstufen. Nur Gewalt kann sie dann beruhigen. Manchmal muss ein Junge einfach niedergerungen werden, man muss ihm den Kopf auf den Boden schlagen und ihn in den Bauch treten, und dann sind alle zufrieden. So lange habe ich also gebraucht, um Rugby zu verstehen.
    »Mit Jungen hast du es jetzt schwerer, aber später leichter«, sagt Tam, die den Fleck durch Herumreiben nur schlimmer gemacht hat. »Mädchen mögen ein Sonnenschein sein, wenn sie klein sind, aber warte, bis sie in die Pubertät kommen …« Ich höre da einen Hauch rachsüchtiger

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