Weiberabend: Roman (German Edition)
verständnislos gerunzelter Stirn angesehen. »Ich glaube nicht, dass ein weiteres Kind es mir leichter machen würde, über seinen Tod hinwegzukommen – du etwa?«, hat sie gefragt.
Nein, natürlich nicht. Wir sind keine Meeresschildkröten, die Nachkommen im Übermaß ausbrüten müssen, um sicherzugehen, dass es zumindest ein oder zwei von ihnen bis ins Wasser schaffen. Fiona hat recht. Man kann kein Kind ersetzen. Und doch – eins ist so eine verletzliche Zahl. Fiona scheint mit dem, was sie hat, glücklich und zufrieden zu sein. Sie jagt keinen Trugbildern nach oder vermittelt den Eindruck, als würde sie etwas verpassen. Sie ruht in sich, und nur ihre masochistische Besessenheit, was ihr sauberes Haus angeht, und ihre gelegentlich auffällige Passivität in größeren Gruppen verraten, dass sie alles andere als beneidenswert reif und geistig stabil ist.
Und was ist mit mir? Ich liebe es, Menschen zu bekochen, die mir etwas bedeuten, etwa ein Festessen für meine Freundinnen zuzubereiten. Das wirkt so großmütig, nicht? Aber wenn Leute mein Essen nicht zu schätzen wissen, verkrieche ich mich in melancholischem Selbstmitleid. Ich fühle mich ungeliebt, nicht wertgeschätzt. Mein Selbstwertgefühl hängt zum Großteil von einem erfolgreich hochgegangenen Soufflé und der Perfektion einer Lammkeule ab, mit knuspriger Kruste und zartem rosa Fleisch darunter. Ich bin dazu fähig, mitten unter der Woche eine Wachtel mit Walnüssen und Salbei zu füllen, mal eben ein Feigenpüree für die Lammkoteletts oder Mango-Salsa für Mais-Rucola-Pastetchen zu zaubern. Ich mache mir immer viel Mühe, selbst wenn ich allein esse.
Jene, die am stärksten von meinen Eigenheiten betroffen sind, haben mich als »besessen« und »vereinnahmend« bezeichnet und mir gesagt, ich würde es »total übertreiben« und sei »eine Perfektionistin«. Frank hat sich in Bezug auf unsere Beziehung schon öfter beklagt – ganz gleich, was er tue oder beitrage, »es ist nie gut genug«. Das ist, streng genommen, nicht wahr – ich esse durchaus gern getoastetes Käsesandwich mit Tomaten, aber wenn doch frisches Basilikum und Wasabi-Mayonnaise da sind, erscheint es mir unklug und trotzig, so sparsam zu sein.
Frank und ich streiten oft über Kleinigkeiten. Ob man das Sushi vom Japaner beispielsweise aus dem Plastikbehälter isst, in dem man es geholt hat, oder ob man es auf einen meiner exquisiten Sushi-Teller legen und mit den hölzernen Stäbchen essen sollte – mit Perlmutt-Intarsien am Griff. Frank sieht das so: Wenn man aus dem Plastikbehälter isst, hat man ein Teil weniger abzuspülen. Ich sehe es so: Ich würde lieber hungern, statt Sushi aus einem Plastikbehälter zu essen. Ich will Schwimmkerzen und Frangipani-Blüten. Damit schmeckt das Sushi noch besser. Jedes Mal, wenn wir Sushi vom Japaner holen, klammere ich mich an die Hoffnung, dass es dieses Mal anders sein wird. Ich werde das Sushi betrachten, zusammengequetscht in diesem Plastikding, und mir denken: »Wie hübsch sich das auf der smaragdgrünen Servierplatte in Blattform machen wird … oder vielleicht auf der steingrauen quadratischen …« Dann beobachte ich aus dem Augenwinkel in wachsender Verzweiflung, wie Frank mit den Fingern nach einem Stück Sushi greift (so muss er nicht mal die Essstäbchen spülen), während ich vom Gedanken geplagt werde, dass meine Einschätzung in Sachen Seelenpartner womöglich doch nicht ganz zutreffend war. In solchen Momenten ziehe ich mich in den unerschütterlichen Glauben zurück, dass Robbie Williams niemals Sushi aus dem Plastikbehälter isst.
Ich spüre dann, wie sich in mir ein Sturm zusammenbraut. »Lass es gut sein«, ermahne ich mich. »Vergib ihm, denn er weiß nicht, was er tut.« Aber es nützt nichts. Ich platze mit irgendeiner gemeinen, rachsüchtigen Bemerkung heraus und beschuldige ihn, ständig Abkürzungen und grundsätzlich den leichteren Weg zu nehmen. Der Schönheit im Leben absichtlich auszuweichen. Nur Funktion wahrzunehmen, nicht Poesie. Verwundert schleudert er Anschuldigungen zurück. »Wie kannst du behaupten, ich würde es mir leicht machen? Ich habe dich schließlich geheiratet, oder nicht?« Ich fauche ihn an, ich denke nicht, dass diese Beziehung funktioniert. Er trottet davon, um Seinfeld zu gucken. Und wenn die Leere und Sehnsucht in mir unendlich groß werden, frage ich mich, warum ich nicht meine erste Liebe geheiratet habe, Etain, den Künstler, oder Francesco, meinen italienischen Liebhaber, oder
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