Weiberabend: Roman (German Edition)
warum ich nicht einfach Single geblieben bin, verdammt (ich war doch glücklich, oder nicht?), wenn ich schon die Scheidung geplant und im Geiste den gemeinsamen Besitz aufgeteilt habe, kommt er wieder herein (Jerry und George haben ihn mit ihrer dämlichen Paranoia aufgeheitert) und sagt (das sagt er immer): »Es tut mir leid, ich will nicht mit dir streiten. Ich liebe dich und will nur, dass du glücklich bist.«
An großzügigen Tagen sage ich dann: »Komm her«, und er küsst meine Hand, meinen Nacken, drückt sich an mich, und ich knabbere an seinem Hals und wir schlafen zur Versöhnung miteinander. Aber wenn der Geschirrspüler kaputt ist oder ich wegen meines nächsten Buches noch nichts von meiner Agentin gehört habe oder Aaron mich schon um vier Uhr nachmittags zur Rotweinflasche getrieben hat, dann werfe ich ihm über den Rand des Buches hinweg, das ich gerade lese, einen kühlen Blick zu und sage: »Schön, dann gute Nacht.« Dann lege ich mein Lesezeichen, ein laminiertes Gedicht von Jamie (»Ein Gedicht an meine Mutter«) in mein Buch, knipse das Licht aus und lasse ihn da stehen. Verwirrt und einsam. Genau das, was er verdient. Verdammter Sushi-aus-dem-Plastikbehälter-Fresser.
Bitte glaubt mir, dass ich früher nicht so ein Miststück war. Bevor ich Kinder bekam, nannte Frank mich in gewissen Momenten »sexy Miststück«, aber das ist etwas ganz anderes als nur Miststück. Die Neigung zum Flirten, die mir in meiner Jugend nicht abzuerziehen war, wurde immer durch meine hundertprozentige Diplomatie ausgeglichen. Um jeglichen postkoitalen Missverständnissen vorzubeugen, pflegte ich, noch bevor das Kondom ausgepackt war, meine Liebhaber davon zu unterrichten, dass sie nach dem Sex wieder gehen würden. Wenn ich doch mal zum Spaß einen hinhielt, ließ ich ihn immer sehr sanft fallen. Ich habe nie jemanden gedemütigt, beschimpft oder absichtlich verletzt, obwohl einem die Männer ja zahllose Gelegenheiten dazu bieten. Mit vielen meiner Exfreunde bin ich heute noch gut befreundet. Andere schicken ab und zu eine verführerische E-Mail, die mich dann wochenlang aufrechterhält – ein Akt der Güte, der mich in dem dringend benötigten Glauben lässt, ich hätte in diesem schlaffen, schlabbernden, fleischigen Umhang, den ich einst meinen Körper nannte, noch so etwas wie Sexappeal.
Die Wahrheit ist: Nachdem ich Kinder bekommen habe, ist irgendetwas mit mir passiert. Falten sind auch an meiner Persönlichkeit erschienen, zusammen mit den Dehnungsstreifen und grauen Haaren. Vor der Mutterschaft habe ich – abgesehen von feministischer Empörung und gelegentlichem Fluchen beim Autofahren – nie die Beherrschung verloren oder geglaubt, ich könnte in der Lage sein, in boshafter Absicht jemanden zu verletzen, den ich liebe. Aber drei Monate nach Aarons Geburt merkte ich, dass ich verfolgt und ausgespäht wurde. Meine Darstellung als Mutter wurde von einer weiteren Persönlichkeit hinter den Kulissen beobachtet. Jamie kämpfte mit dem galileischen Grauen, nicht der Mittelpunkt des Universums zu sein, und eines Abends weigerte sie sich, ins Bett zu gehen. Ich bat und bettelte und machte damit alles nur noch schlimmer. An welchem Punkt genau der Vorhang vor dem Chor meiner Dämonen plötzlich hochgezogen wurde, weiß ich ehrlich gestanden nicht mehr. Jedenfalls hob ich sie hoch und schleuderte sie (ja, schleuderte) aufs Bett. Ich hörte eine Stimme kreischen. »Geh jetzt schlafen!!!« Das konnte doch nicht ich sein? In Jamies schreckgeweiteten Augen erhaschte ich einen Blick auf mein Spiegelbild. Und bekam es ebenfalls mit der Angst zu tun.
Zugegeben, ich bekam damals nur drei Stunden Schlaf, Aaron litt unter Koliken, es hatte zwei Wochen lang ununterbrochen geregnet, und ich war kaum aus dem Haus gekommen. Ich war ein bisschen ausgefranst an den Rändern. Aber das sind nur Ausreden, nicht wahr? Ausreden für Gewalt und Missbrauch. Kinderschänder benutzen sie (»Ich wurde als Kind auch sexuell missbraucht«). Vergewaltiger benutzen sie (»Mein Vater war ein homosexueller Transvestit und hat an Nagetieren experimentiert«). Frauen, die ihre Kinder umbringen, benutzen sie ebenfalls (»Ich bekam nur drei Stunden Schlaf, mein Kind litt unter Koliken, es hatte zwei Wochen lang ununterbrochen geregnet, und ich war kaum aus dem Haus gekommen«).
Sträfliches Verhalten kriecht oft aus einem Rattennest guter Ausreden hervor. Solche Ausreden erklären zwar unsere Handlungen, aber sollen sie uns von der Schuld
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