Weiberabend: Roman (German Edition)
Knast holt und wer sich um das Baby kümmert, während Jamie ihr Abitur macht. Da hätte ich doch lieber meinen Märtyrer-Freibrief.«
Die Mädels lachen mich aus. Aber es ist eigentlich nicht zum Lachen – nur jene, die den Luxus der Wahl genießen, können darüber lachen.
»Hat Jamie denn schon neue Freundinnen gefunden?«, fragt Dooly.
»Ich glaube schon«, antworte ich. Aber mein Herz zieht sich ein wenig zusammen – der Körper lässt einen nicht mit nonchalanten Floskeln über die Anpassungsfähigkeit des eigenen Kindes davonkommen.
»Wie hat Jamie es denn aufgenommen, als ihr es ihr gesagt habt?«, fragt Liz.
Jetzt halte ich Fionas Hände an meinem Kopf fest und wende mich zu Liz um. Jamie, so anpassungsfähig in ihrer kindlichen Unschuld, hatte im Alter von gerade mal vier Jahren eben erst ihre ganze Welt neu arrangieren müssen, um mit einer ganzen Reihe erbarmungsloser Verluste fertig zu werden – Großeltern, Cousins und Cousinen, Tanten, ihre beiden Katzen Rain und Shadow, ihren Berg (so nannte sie den Table Mountain, den wir von der Veranda unseres Hauses in Kapstadt über der Krone des Avocadobaums aufragen sehen konnten), ihr Kindermädchen Thandi und ihre Vorschule am Fluss, auf deren Gelände sich Ziegen, Schildkröten und Kaninchen tummelten. Dann drei Umzüge in den drei Jahren, seit wir nach Sydney ausgewandert sind. Jedes Mal, wenn wir alles in Kartons packten, seufzte sie und fragte: »Wird das jetzt für immer unser Zuhause?« Sie war volle zwei Jahre auf ihrer Privatschule gewesen – praktisch die einzige Konstante in ihrem Leben. Es wäre gnädiger gewesen, ihr die Fingernägel einzeln herauszureißen, fürchte ich, als ihr zu sagen: »Du musst leider wieder umziehen.« Der Ausdruck in ihren großen braunen Augen raubte mir eine Woche lang den Schlaf, ich lag im Bett und starrte auf die Risse im Deckenputz.
»Drücken wir es mal so aus, ich bin nicht gerade zur Mutter des Jahres nominiert worden«, sage ich.
»Schuldgefühle halten einen zu unchristlichsten Stunden viel besser wach als Kaffee«, sagt CJ. »Glaubt mir, ich kenne das.«
»Aber ich habe es wiedergutgemacht – sie hat ein neues Kätzchen bekommen. Ich habe Jamie gesagt, sie dürfte ein neues Kätzchen haben, wenn sie brav die Schule wechselt.«
Das könnte man wohl, rein technisch betrachtet, als Bestechung bezeichnen. Zumindest war es ein billiger Trick, das gebe ich zu. Sie liebt Tiere, und ich war verzweifelt. Die verträumte Vorfreude auf ein Kätzchen, ihr eigenes Kätzchen, ließ sie die Beunruhigung über die neue Schule glatt vergessen. Zumindest anfänglich.
»Hat es funktioniert?«, fragt Tam, die zwar die Antwort auf diese Frage kennt, aber mir dennoch ein Geständnis entlocken will.
»Wohl kaum. Ein Kätzchen und eine neue Schule haben nichts miteinander zu tun. In den ersten Wochen schien sie ganz begeistert zu sein, aber eines Tages ist sie auf der Heimfahrt im Auto in Tränen ausgebrochen.«
»Sie war sicher müde«, sagt Helen. »Sie ist doch noch klein, und so ein Schultag ist sehr lang für ein Kind.«
»Nein, ich weiß, wie sie ist, wenn sie müde ist«, erwidere ich. »Als ich sie gefragt habe, warum sie weint, kam alles heraus: dass die anderen Mädchen gemein zu ihr sind und sie niemanden zum Spielen hat, dass sie ja versucht, glücklich zu sein, dass sie ja auch glücklich sein will, aber dass sie nur so tut, als sei sie glücklich. Warum tust du so, habe ich gefragt. Und sie hat gesagt: ›Weil du willst, dass ich glücklich bin.‹«
»Armes Mäuschen«, sagt Fiona und macht sich mit neuer Entschlossenheit über meine Kopfhaut her.
»Es gibt nichts Schlimmeres, als mit ansehen zu müssen, wie mein Kind leidet«, sage ich.
Mein Blick huscht zu Ereka, die immer noch auf dem Balkon steht, und ich bin erleichtert, dass mein lächerlicher Schmerz nicht gegen ihr Leid abgewogen wird.
»Es ist offensichtlich, wie wichtig es ihr ist, dass du glücklich und zufrieden bist«, sagt Tam, und was für Andeutungen auch immer in dieser Bemerkung mitschwingen mögen, ich rase einfach daran vorbei wie an schmuddeligen Trampern. Ohne auch nur einen Blick in den Rückspiegel zu werfen.
»Ich habe ihr gesagt, dass sie niemals etwas vorspielen muss, was sie nicht ist. Schon gar nicht, um mich glücklich zu machen«, sage ich.
»Aber wir wissen doch, dass unsere Kinder uns in Wahrheit immer glücklich machen wollen«, sagt Tam. »Das ist ihr dringendstes Bedürfnis – unsere Anerkennung.«
Ich
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