Weiberabend: Roman (German Edition)
seiner Kindheit, seiner Frustration über die alltäglichen, kleinlichen Zwänge des Vaterseins, unsere finanziellen und emotionalen Probleme als Einwanderer in diesem Land, die fehlende, durch nichts zu ersetzende Unterstützung der Großfamilie, und über die Kleinigkeiten, die ihn ständig ärgerten und im Mikrokosmos unserer winzigen Familie stark vergrößert wirkten. Während ich ihm zuhörte, verstand ich zum ersten Mal, wie furchtbar schwierig es für ihn war, Vater zu sein. Und wie sehr er mich liebte, so sehr, dass er sich bereit erklärt hatte, Vater zu werden, damit ich Mutter werden konnte. Ich liebte ihn dafür umso mehr.
Unsere Therapeutin zeigte sich verständnisvoll. Sie gab uns Regeln für diese Woche mit.
Regel 1: Nicht schreien (eher fast flüstern, damit er sich anstrengen muss, um zu verstehen, was wir sagen – wenn wir schreien, hören die Menschen uns nicht zu).
Regel 2: Aaron an einen Zufluchtsort bringen, wenn er einen Wutanfall hat, oder ihm sagen: »Ich muss jetzt in mein Zimmer gehen und die Tür zumachen, weil mir die Ohren weh tun, wenn du so schreist.«
Regel 3: Nicht schlagen.
Regel 4: Notieren, wann er unleidlich wird – besteht ein zeitlicher Zusammenhang mit Hunger? Müdigkeit? Irgendeinem anderen Faktor?
Regel 5: Im Zweifel immer auf Regel 1 zurückgreifen.
Wir verließen die Praxis, bewaffnet mit einem Plan. Wir würden nicht schreien. Ich hätte nicht entschlossener sein können, mich an diesen Plan zu halten. Ich würde dieses Problem ein für alle Mal in den Griff bekommen.
Tag eins nach der Therapeutin: Ich schreie nicht. Als Aaron nachmittags um zwanzig nach vier einen Wutanfall bekommt, weil ich keine Würstchen zum Abendessen habe, erkläre ich ihm ruhig, dass ich jetzt den Raum verlassen muss, weil mir die Ohren weh tun, wenn er so schreit. Ich gehe in mein Zimmer und schließe die Tür. Aaron wirft sich dagegen und stößt sie wutentbrannt auf. Ich schiebe ihn aus meinem Zimmer, schließe die Tür und halte die Klinke fest. Er hämmert gegen die Tür und versucht mit aller Kraft, die Klinke zu drücken. Er ist ein kräftiger kleiner Scheißer. Aber ich halte durch. Zumindest jetzt bin ich noch die Stärkere. Ruhig wiederhole ich immer wieder, dass ich herauskommen werde, sobald er sich beruhigt. Ich schlage ihm vor, es wäre das Beste, wenn er jetzt aufhört zu schreien. Er brüllt und heult weitere achtzehn Minuten lang. Aber dann hört das Geheul auf. Ich komme aus meinem Zimmer, meine Hand ist taub, so lange musste ich die Klinke festhalten. Ich nehme ihn in den Arm, füttere ihn, bade ihn, lese ihm Wo die wilden Kerle wohnen vor. Kurz vor dem Einschlafen sagt er: »Du bist die beste Mami auf der Welt.« Ich habe einen Kloß in der Kehle. Vielleicht könnte ich das werden.
Tag zwei nach der Therapeutin: Wiederholung von Tag eins.
Tag drei nach der Therapeutin: Wiederholung von Tag Eins, bis zu einem Punkt etwa fünfzehn Minuten nach Beginn des Wutanfalls. Da schreit Aaron mich an: »Du dumme Scheißkuh!« Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass ich seelenruhig weiter auf meiner Seite der Tür sitzen bleibe und warte, bis der Wutanfall vorüber ist. Doch bedauerlicherweise läuft es nicht so. Nein, stattdessen reiße ich die Tür auf, brülle Aaron an und versohle ihm den Hintern: »Wie KANNST du es wagen, so mit mir zu sprechen? Sprich NIE ( Klaps ), NIE ( Klaps ) wieder so mit mir ( Klaps )!!!!!«
Danach habe ich mich tagelang gehasst. Aber als an jenem Tag die Sonne unterging, wurde er auch umarmt, gefüttert, gebadet und mit einer Gutenachtgeschichte ins Bett gebracht. Und vor dem Einschlafen sagte er zu mir: »Du bist die beste Mami auf der Welt.« Kinder verzeihen einfach alles. Das ist fast schon psychopathisch.
Nun sieht Fiona mich an und wartet auf meine Antwort.
»Er macht sich schon viel besser«, sage ich.
8 Das Bestechungskätzchen
D ie Platte ist so sauber gekratzt wie eine Schüssel, in der ich Schokoladenkuchenteig gemischt habe, wenn meine Kinder damit fertig sind. Die Pfannkuchen waren ein durchschlagender Erfolg. All jene, die tapfer genug waren, sich den Gefahren des Glutens zu stellen, sind sich darin einig. Tam sitzt ein wenig abseits und nippt an ihrem Wasser, eingeschnappt, weil sie offenbar etwas verpasst hat. Liz hat sogar gesagt, ich müsse ihr unbedingt das Rezept per E-Mail schicken, sie sei sicher, »dass Lily so etwas hinzaubern kann«. Ich habe es ihr versprochen, so unbekümmert, wie wir Urlaubsbekanntschaften
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