Weiberregiment
Armbrüste fal en auf.«
»In der Festung gibt es genug Waffen«, verkündete Reißer. »Das weiß
ich von der Herzogin. Die Burg ist voller Waffen.«
»Hat sie dir auch gesagt, wie wir den Feind dazu bringen sollen, uns
Einlass zu gewähren?«, fragte Maladikt.
»Na schön«, warf Pol y rasch ein. »Wir sol ten dem Rupert so schnel
wie möglich Bescheid geben. Lasst uns zurückkehren.«
»He, ich bin hier der Korporal«, sagte Maladikt.
»Nun?«, fragte Polly. »Und?«
»Lasst uns zurückkehren?«, schlug Maladikt vor.
»Gute Idee.«
Sie hätte den Stimmen der Vögel mehr Beachtung schenken sol en,
dachte Polly später. Die schrillen Rufe in der Ferne hätten ihr alles
erzählt, wenn sie ruhig genug gewesen wäre, ihnen zu lauschen.
Sie waren noch keine dreißig Meter weit gekommen, als sie den
Soldaten sahen.
Ein Soldat im zlobenischen Militär war gefährlich schlau. Er hatte
begriffen, dass man umherstreifende Gegner nicht entdeckte, indem
man laut über Wege trampelte, sondern indem man leise zwischen den
Bäumen schlich.
Der Soldat hatte eine Armbrust. Reiner Zufall – vermutlich war es
Zufall – wol te, dass er in die andere Richtung sah, als Pol y hinter einem Busch hervorkam. Hastig trat sie hinter einen Baum und winkte
aufgeregt Maladikt zu, der weiter unten über den Pfad schritt und
vernünftig genug war, sofort in Deckung zu gehen.
Pol y zog ihr Schwert und hielt es mit beiden Händen an die Brust
gepresst. Sie hörte den Mann. Er war noch ein Stück entfernt, kam aber
näher. Vielleicht gehörte er zu einer Patrouille und ging ihr als Späher
voraus. Dass unausgebildete Rekruten ausgerechnet in eine solche
Situation geraten mussten, dachte Polly bitter. Eine leise feindliche
Patrouille konnte sogar die anderen in der Mulde überraschen…
Sie schloss die Augen und versuchte, ruhig zu atmen. Jetzt war es so
weit jetzt war es so weit jetzt war es so weit! Jetzt würde sie es gleich herausfinden.
Woran man denken sol woran man denken sol woran man denken sol ,
wenn Metall auf Fleisch trifft… Man sollte das Metall halten.
Polly schmeckte Metall im Mund.
Der Mann würde direkt an ihr vorbeigehen. Er würde wachsam sein,
aber nicht zu wachsam. Ein Streich war besser als ein Stoß. Ja, ein guter Streich in Kopfhöhe würde ihn töten…
… den Sohn einer Mutter, den Bruder einer Schwester, einen jungen Mann, der dem Trommelschlag für einen Schil ing und seine erste neue Kleidung gefolgt war.
Wenn Pol y doch nur ausgebildet gewesen wäre, wenn sie doch nur Gelegenheit gehabt hätte, mehrere Wochen lang auf Strohpuppen einzustechen, bis sie glaubte, dass alle Männer aus Stroh bestanden…
Sie erstarrte. Weiter unten auf dem Pfad, den Kopf gesenkt und
reglos wie ein Baum, stand Reißer. Der Späher würde sie sofort sehen,
wenn er Pol ys Baum erreichte.
Sie musste jetzt sofort handeln. Viel eicht taten Männer es deshalb.
Nicht um Herzoginnen oder Länder zu retten. Du tötest den Feind,
damit er nicht deine Kameraden tötet und sie den Gegner daran
hindern, dich zu töten…
Pol y hörte die vorsichtigen Schritte näher am Baum. Sie hob das
Schwert, sah das Licht an der Klinge funkeln…
Ein Truthahn stob aus dem Gebüsch auf der anderen Seite des Pfads,
stieg mit wild schlagenden Flügeln und einem Schweif aus Federn und
Gekreische auf. Halb fliegend, halb rennend sauste er durch den Wald.
Ein dumpfes Twäng kam von einer Bogensehne, gefolgt von einem
letzten Zetern.
»Guter Schuss«, ertönte eine nahe Stimme. »Scheint ziemlich groß zu
sein.«
»Hast du das gesehen ?«, erklang eine andere Stimme. »Noch ein Schritt, und ich wäre über ihn gestolpert!«
Hinter ihrem Baum ließ Polly vorsichtig den angehaltenen Atem
entweichen.
Eine dritte, weiter entfernte Stimme rief: »Wie wär’s, wenn wir
zurückkehren, Korporal? Nach dem Gekreische ist der Tiger
wahrscheinlich eine Meile weit gelaufen!«
»Ja, und ich habe solche Angst«, erwiderte die nahe Stimme. »Der
Tiger steckt hinter jedem Baum.«
»Na gut, Schluss für heute. Meine Frau macht einen leckeren Braten
daraus…«
Die Stimmen der Soldaten wurden leiser und verloren sich zwischen
den Bäumen. Pol y ließ das Schwert sinken und sah, wie Maladikt hinter
einem Gebüsch hervorlugte und in ihre Richtung sah. Sie hob den
Zeigefinger an die Lippen. Er nickte. Sie wartete, bis das Zwitschern
der Vögel ein wenig nachgelassen hatte, und trat dann hinter dem Baum
hervor. Reißer
Weitere Kostenlose Bücher