Weiberregiment
Felsen, ohne Hemd, die riesigen
Hosenträger abgestreift. Nur ein vergilbtes wol enes Unterhemd
ersparte der Welt den Anblick seiner nackten Brust. Aus irgendeinem
Grund hatte er den Tschako aufbehalten. Sein Rasierzeug lag auf dem
Felsen neben ihm, das Rasiermesser wie eine kleine Machete und der
Pinsel groß genug zum Tapezieren.
Jackrum hielt die Füße ins Wasser. Er sah auf, als sich Polly näherte,
und nickte freundlich. »Morgen, Perks«, sagte er. »Lass dir Zeit. Hab es
nicht zu eilig bei den Ruperts. Setz dich ein Weilchen. Zieh die Stiefel
aus und lass deine Füße die frische Luft spüren. Kümmere dich um
deine Füße, dann kümmern sich deine Füße um dich.« Er holte sein
großes Klappmesser und den wurstartigen Kautabak hervor. »Willst du
wirklich nichts davon?«
»Nein danke, Feldwebel.« Pol y nahm auf einem Felsen auf der
anderen Seite des Baches Platz, der kaum einen Meter breit war, und
zerrte an ihren Stiefeln. Sie hatte das Gefühl, dass sie einen Befehl
bekommen hatte. Außerdem brauchte sie derzeit den Schock des
sauberen, kalten Wassers.
»Bravo«, sagte Jackrum und schnitt ein Stück Tabak ab. »Scheußliche
Angewohnheit. Schlimmer als das Rauchen. Hab damit angefangen, als
ich ein Junge war. Besser als nachts ein Streichholz anzuzünden,
verstehst du? Damit verrät man seine Position. Natürlich muss man ab
und zu einen Schleimbal en ausspucken, aber das sieht man in der
Dunkelheit nicht.«
Pol y planschte mit den Füßen im eiskalten Wasser, das tatsächlich
erfrischend wirkte. Es schien ihr plötzlich neues Leben zu geben. In
den Bäumen am Rand der Rinne zwitscherten Vögel.
»Heraus damit, Perks«, sagte Jackrum nach einer Weile.
»Womit, Feldwebel?«
»Ach, zum Teufel, Perks, es ist ein schöner Tag, verdirb ihn nicht. Sag
mir endlich, was Sache ist. Ich habe bemerkt, wie du mich ansiehst.«
»Na schön, Feldwebel. Du hast den Mann in der vergangenen Nacht
ermordet.«
»Glaubst du?«, erwiderte Jackrum. »Beweis es.«
»Das kann ich nicht. Aber du hast alles in die Wege geleitet. Du hast
sogar Igor und Reißer beauftragt, ihn zu bewachen, obwohl sie mit
Waffen nicht gut umgehen können.«
»Wie gut müssten sie deiner Meinung nach damit umgehen können?«,
fragte Jackrum. »Vier von euch gegen einen Gefesselten? Nee, der
Feldwebel war in dem Augenblick tot, als wir ihn schnappten, und das
wusste er. Ein verdammtes Genie wie unser Rupert war nötig, um ihn
auf den Gedanken zu bringen, noch eine Chance zu haben. Wir sind
hier draußen in der Wildnis unterwegs, Junge. Was wol te Bluse mit
dem Mann anstel en? Wem wol te er ihn übergeben? Hatte der
Leutnant vor, ihn mitzunehmen? Oder beabsichtigte er, ihn an einen
Baum zu fesseln, damit er Wölfe tritt, bis er zu müde wird? Das ist viel
vornehmer , als ihm eine letzte Zigarette und einen wohlgezielten Hieb zu geben, damit er es schnel hinter sich bringt. Genau das hätte er von
mir bekommen.«
Jackrum stopfte sich den Tabak in den Mund. »Weißt du, worum es
bei der militärischen Ausbildung hauptsächlich geht, Perks?«, fuhr er
fort. »Bei al dem Geschrei von Schindern wie Strappi? Es sol dich zu
einem Mann machen, der auf Befehl seine Klinge in einen anderen
armen Kerl stößt, der zufäl igerweise die falsche Uniform trägt. Er ist
wie du, du bist wie er. Er wil dich eigentlich gar nicht töten, genauso
wenig wie du ihn. Aber wenn du ihn nicht zuerst tötest, tötet er dich.
Darauf läuft es hinaus. Ohne Ausbildung fällt einem so was nicht leicht.
Ruperts bekommen keine solche Ausbildung, denn sie sind vornehm. Ich kann beschwören, dass ich kein vornehmer Mann bin, und ich töte,
wenn ich muss, und ich habe versprochen, euch zu schützen, und kein
verdammter Rupert wird mich daran hindern. Er hat mir meine
Entlassungspapiere gegeben!«, fügte Jackrum vol er Empörung hinzu.
» Mir ! Und er erwartete Dank dafür! Jeder andere Rupert, unter dem ich diente, war so vernünftig, ›Nicht hier postiert‹ oder ›Auf langer
Patrouille‹ oder etwas in der Art zu schreiben und das Päckchen wieder
in die Post zu geben, aber er nicht.«
»Was hast du Korporal Strappi gesagt, das ihn veranlasst hat, sich aus
dem Staub zu machen?«, fragte Pol y, bevor sie die Worte zurückhalten
konnte.
Jackrum musterte sie eine Zeit lang, ohne dass seine Augen etwas
verrieten. Dann kam ein sonderbares kurzes Lachen. »Warum sollte ein
kleiner Junge wie du eine so kleine Frage
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