Weiberregiment
nach uns suchen, machen wir es
uns dort gemütlich, wo sie bereits Ausschau gehalten haben. Zwei der
Jungs sol en dort oben Wache halten.«
Pol y wurde für den ersten Wachdienst eingeteilt, und ihr Posten
befand sich auf der kleinen Klippe am Rand der Rinne. Es war
zweifellos ein gutes Versteck. Ein ganzes Regiment konnte sich dort
verbergen. Und niemand konnte sich nähern, ohne gesehen zu werden.
Und Polly leistete ihren Teil wie ein richtiges Mitglied der Truppe, was
mit ein wenig Glück bedeutete, dass sich Bluse von jemand anderem
rasieren ließ. Durch eine Lücke in den Baumwipfeln sah sie unten eine
Art Straße, die durchs Waldland führte. Sie behielt sie im Auge.
Schließlich löste Toller sie mit einem Becher Suppe ab. Auf der
anderen Seite der Rinne nahm Stecher Reißers Platz ein.
»Woher kommst du, Schnieke?«, fragte Toller, als Polly die Suppe
genoss.
Es konnte nicht schaden, Auskunft zu geben. »Aus Münz«,
antwortete Pol y.
»Wirklich? Jemand hat gesagt, du hättest in einem Wirtshaus
gearbeitet. Wie heißt es?«
Ah… genau dort konnte es noch schaden. Aber jetzt konnte sie kaum
mehr lügen. »›Zur Herzogin‹«, erwiderte sie.
»Das große Wirtshaus? Sehr nobel. Hat man dich gut behandelt?«
»Was? Oh… ja. Ziemlich gut.«
»Bist du geschlagen worden?«
»Wie? Nein. Nie«, sagte Polly und fragte sich nervös, wohin dies
führte.
»Hast du hart gearbeitet?«
Pol y dachte darüber nach. Eigentlich hatte sie härter gearbeitet als die
beiden Dienstmädchen, ohne wie diese einen Nachmittag pro Woche
frei zu haben.
»Normalerweise stand ich als Erste auf und ging als Letzte zu Bett,
wenn du das meinst«, sagte sie. Und um rasch das Thema zu wechseln,
fügte sie hinzu: »Was ist mit dir? Kennst du Münz?«
»Wir haben beide dort gewohnt, Tilda – ich meine Stecher – und ich«,
sagte Toller.
»Ach? Wo?«
»In der Mädchenschule«, sagte Toller und wandte den Blick ab.
Solche Fal en hält ganz gewöhnliche Konversation bereit, dachte
Pol y. »Kein angenehmer Ort, nehme ich an«, entgegnete sie und kam
sich dumm vor.
»Nein, es war kein angenehmer Ort«, bestätigte Toller. »Es war sogar
ein sehr scheußlicher Ort. Wir glauben, dass auch Reißer zu den
Schülerinnen zählte. Wir glauben, das sie es war. Wir wurden al e oft nach draußen zur Arbeit geschickt.« Pol y nickte. Einmal war ein
Mädchen von der Schule gekommen und hatte in der »Herzogin«
gearbeitet. Sie kam jeden Morgen, bis auf die Knochen sauber
geschrubbt und mit einer makel osen Schürze, löste sich aus einer
Schlange ähnlicher Mädchen, angeführt von einer Lehrerin und
flankiert von zwei großen Männern mit langen Stöcken. Sie war dürr
und auf eine teilnahmslose, eingeübte Art und Weise höflich, arbeitete
sehr hart und sprach nie mit jemandem. Nach drei Monaten war sie
fort, und Pol y hatte nie den Grund dafür herausgefunden.
Toller sah Polly in die Augen, wie um ihrer Unschuld zu spotten.
»Wir glauben, dass sie die ist, die gelegentlich in dem besonderen
Zimmer eingesperrt wurde. So ist das mit der Schule: Wenn man kein
dickes Fel bekommt, wird man komisch im Kopf.«
»Ihr habt die Schule sicher gern verlassen«, sagte Pol y, weil ihr nichts
anderes einfiel.
»Das Fenster im Erdgeschoss war offen«, erwiderte Toller. »Aber ich
habe Tilda versprochen, dass wir im nächsten Sommer zurückkehren.«
»Ach, dann war es also nicht so schlimm?«, fragte Pol y erleichtert.
»Nein, im Sommer brennt sie besser«, sagte Toller. »Bist du jemals
einem gewissen Pater Joppe begegnet?«
»O ja.« Pol y gewann den Eindruck, dass mehr von ihr erwartet
wurde, deshalb fügte sie hinzu: »Er kam zum Essen, als meine
Mutter… Er kam zum Essen. Ein bisschen aufgeblasen. Aber
ansonsten schien er in Ordnung zu sein.«
»Ja, im Anscheinerwecken war er gut.«
Erneut tat sich im Gespräch eine dunkle Kluft auf, die sich nicht
einmal mit einer Trollbrücke überspannen ließ. Man konnte nur von
ihrem Rand zurückweichen.
»Ich gehe jetzt besser und sehe nach dem Leu… nach dem Rupert«,
sagte Polly und stand auf. »Vielen Dank für die Suppe.«
Sie kletterte über den Geröllhang nach unten, bahnte sich einen Weg
durch das Birkendickicht und erreichte schließlich den Bach in der
Rinne. Und dort, wie ein grässlicher Flussgott, saß Feldwebel Jackrum.
Seine rote Jacke, ein Zelt für kleinere Männer, hatte er sorgfältig über
einen Strauch gelegt. Er saß auf einem
Weitere Kostenlose Bücher