Weiberregiment
›Groophar‹?«, erklang die Stimme von Maladikt in der feuchten Finsternis.
»Wenn, äh, ein Vatertroll und ein Muttertroll…«
»Oh, ja, danke, ich habe verstanden«, sagte Maladikt. »Wir haben es hier mit Patriotismus zu tun, mein Freund. Mein Land, ob recht oder schlecht.«
»Man
sollte
sein Land lieben«, ließ sich Knaller vernehmen.
»Na schön, welchen Teil davon?«, kam Tollers Stimme aus der Dunkelheit. »Den morgendlichen Sonnenschein über den Bergen? Das grässliche Essen? Die verdammten verrückten Abscheulichkeiten? Das ganze Land bis auf den Teil, auf dem Strappi steht?«
»Aber wir sind im Krieg!«
»Ja, an dieser Stelle erwischen sie einen«, seufzte Polly.
»Ich lasse mir nichts vormachen. Es ist alles Schwindel. Sie scheren sich nicht um uns, aber wenn sie ein anderes Land verärgern, sollen
wir
für sie kämpfen! Es ist nur
unser
Land, wenn sie wollen, dass wir dafür sterben!«, sagte Toller.
»All die guten Teile dieses Landes befinden sich in diesem Zelt«, sagte Reißer.
Verlegenes Schweigen folgte.
Es regnete sich ein, und nach einer Weile bekam das Zelt undichte Stellen. Schließlich fragte jemand: »Was passiert, wenn sich jemand anwerben lässt und dann feststellt, dass er, äh, eigentlich gar kein Soldat sein möchte?«
Das war Knallers Stimme.
»Ich glaube, so was nennt man desertieren, und dafür wird man geköpft«, sagte Maladikt. »In meinem Fall wäre das nicht weiter schlimm, aber du, lieber Knaller, müsstest mit erheblichen Beeinträchtigungen in deinem gesellschaftlichen Leben rechnen.«
»Ich habe das blöde Bild gar nicht geküsst«, meinte Toller. »Ich hab’s umgedreht, als Strappi nicht hinsah, und die Rückseite geküsst!«
»Man wird trotzdem sagen, dass du der Herzogin einen Kuss gegeben hast«, erwiderte Maladikt.
»Du hast d-die Herzogin aufs H-hinterteil geküsst?«, fragte Reißer entsetzt.
»Es war die Rückseite des Bilds, klar?«, zischte Toller. »Es war nicht ihr wirkliches Hinterteil. Ha, das hätte ich bestimmt nicht geküsst!« Hier und dort kicherte es in den Ecken des Zelts.
»Das war b-böse!«, flüsterte Reißer. »Nuggan im Himmel hat d-dich dabei gesehen!«
»Es war nur ein Bild, kapiert?«, brummte Toller. »Und was macht es überhaupt für einen Unterschied? Ob Vorder- oder Rückseite, wir sind hier, und ich sehe keine Spur von Steak und Schinken!«
Etwas grollte weiter oben. »Ich geworden bin Soldat, um zu sehen fremde Orte und kennen zu lernen erotische Leute«, sagte Karborund.
Das provozierte nachdenkliches Schweigen. »Meinft du vielleicht ›ekfotisch‹?«, fragte Igor.
»Ja, Sachen solche«, bestätigte der Troll.
»Aber sie lügen immer«, sagte jemand, und plötzlich begriff Polly, dass die Worte von ihr selbst stammten. »Sie lügen die ganze Zeit. Über alles.«
»Amen!«, erwiderte Toller. »Wir kämpfen für Lügen.«
»Es mögen Lügen sein«, sagte Polly scharf und versuchte, Strappis bellende Stimme nachzuahmen. »Aber es sind
unsere
Lügen!«
»Wir sollten jetzt schlafen, Kinder«, sagte Maladikt. »Und euer Onkel Maladikt hat einen hübschen Traum für euch. Träumt davon, dass uns Korporal Strappi
anführt,
wenn wir in die Schlacht ziehen. Wäre das nicht schön?«
Nach einer Weile fragte Toller: »Vor uns, meinst du?«
»Ja. Offenbar verstehst du, was ich meine, Toller. Direkt vor uns. Im lärmenden
Durcheinander
des Schlachtfelds, wo so viel schief gehen kann.«
»Und wir haben Waffen?«, erkundigte sich Knaller sehnsüchtig.
»Natürlich haben wir Waffen. Wir sind Soldaten. Und dort ist der Feind, direkt vor uns…«
»Das ist ein guter Traum, Mal.«
»Schlaf, Junge.«
Polly drehte sich auf die Seite und suchte nach der bequemsten Position. Es sind alles Lügen, dachte sie benommen. Einige davon sind nur hübscher als andere, das ist alles. Die Leute sehen, was sie zu sehen glauben. Selbst ich bin eine Lüge. Aber ich komme damit durch.
Ein warmer Herbstwind wehte Blätter von den Ebereschen, als die Rekruten in den Vorbergen marschierten. Es war der Morgen des nächsten Tages, und die Berge lagen hinter ihnen. Polly vertrieb sich die Zeit, indem sie die Vögel in den Hecken identifizierte. Es war eine alte Angewohnheit. Sie kannte die meisten von ihnen.
Sie hatte nie Ornithologin werden wollen. Doch Vögel machten Paul lebendig. Die Anwesenheit von Vögeln verwandelte sein… langsames Denken in helle Aufmerksamkeit. Plötzlich kannte er ihre Namen, Lebensweisen und Lebensräume. Er
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