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Weiberregiment

Weiberregiment

Titel: Weiberregiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Fehler machten, um sie dann anzubrüllen. Sein Lieblingsopfer war Soldat Goom, besser bekannt als Reißer, ein dürrer, nervöser Junge mit runden Augen, der vor den Mahlzeiten das Tischgebet sprach. Am Ende des ersten Tages konnte Strappi ihn dazu bringen, sich zu übergeben, indem er ihn einfach nur anschrie. Und dann lachte er.
    Aber er
lachte
nie richtig, bemerkte Polly. Es klang eher wie das Gurgeln von Spucke tief im Hals, ein Geräusch wie
Ghnssssh.
    Die Gegenwart des Feldwebels wirkte auf alles dämpfend. Jackrum griff nur selten ein. Er beobachtete Strappi oft, und einmal, als Polly seinem Blick begegnete, zwinkerte er.
    Am ersten Abend schrie Strappi ein Zelt vom Karren und schrie es aufrecht, und nach dem Abendessen aus altem Brot und Wurst schrie er die Rekruten vor eine Tafel, um sie anzuschreien. Auf die Tafel hatte der Korporal geschrieben: WOFÜR WIR KÄMPFEN, und an der Seite stand 1, 2, 3.
    »Also gut, passt auf!«, sagte er und klopfte mit einem Stock an die Tafel. »Einige Leute meinen, ihr Jungs solltet wissen,
warum
wir diesen Krieg führen. Hier sind die Gründe. Erstens, erinnert ihr euch an den Ort Lipz? Vor einem Jahr gab es dort einen gemeinen, hinterhältigen Angriff der zlobenischen Truppen! Sie…«
    »Entschuldigung, aber ich dachte,
wir
hätten Lipz angegriffen, Korporal«, sagte Knaller. »Es hieß, letztes Jahr…«
    »Versuchst du etwa, gescheit zu sein, Soldat Manickel?«, fragte Strappi und nannte damit die größte Sünde auf seiner persönlichen Liste.
    »Wollte nur Bescheid wissen, Korporal«, erwiderte Knaller. Er war untersetzt, fast pummelig, und er gehörte zu den Leuten, die auf eine lästige Weise hilfsbereit sind: Er übernahm kleine Aufgaben, um die man sich auch selbst gekümmert hätte. Irgendetwas war seltsam an ihm, wobei man allerdings berücksichtigen musste, dass er derzeit neben Reißer saß, der genug Seltsames für alle hatte und vermutlich ansteckend wirkte…
    …und Strappis Blick auf sich zog. Es machte keinen Spaß, Knaller zu schikanieren, aber Reißer… Reißer war immer ein Gebrüll wert.
    »Hörst du
zu,
Soldat Goom?«, kreischte er.
    Reißer, der das Geschehen mit geschlossenen Augen beobachtet hatte, zuckte zusammen und erwachte. »Korporal?«, brachte er mit zittriger Stimme hervor, als Strappi näher kam.
    »Ich möchte wissen, ob du
zuhörst,
Goom!«
    »Ja, Korporal!«
    »
Wirklich
? Und was hast du gehört, wenn ich fragen darf?«, fragte Strappi mit einer Stimme aus Sirup und Säure.
    »Nichts, Korporal. Sie spricht nicht.«
    Strappi atmete tief durch, holte zufrieden und böse Luft. »Du bist ein nutzloser, wertloser Haufen…«
    Sie hörten ein Geräusch. Es war klein und unscheinbar, ein alltägliches Geräusch, ein Geräusch, das seinen Zweck erfüllte, von dem man aber nicht erwartete, dass es Teil einer interessanten Sonate war. Verursacht wurde das Geräusch von einem Stein, der über Metall kratzte.
    Auf der anderen Seite des Lagerfeuers senkte Jackrum sein Entermesser. Er hielt einen Wetzstein in der einen Hand und erwiderte den Blick der Gruppe.
    »Was? Oh. Habe nur die Klinge geschärft«, sagte Jackrum unschuldig. »Tut mir Leid, wenn ich dich unterbrochen habe, Korporal. Mach nur weiter.«
    Ein elementarer Überlebensinstinkt kam dem Korporal zu Hilfe. Er ließ den zitternden Reißer in Ruhe und wandte sich wieder Knaller zu.
    »Ja, wir haben Lipz ebenfalls angegriffen…«, sagte Strappi.
    »Vor den Zlobenen?«, fragte Maladikt.
    »Wollt ihr gefälligst zuhören?«, erwiderte Strappi. »Wir haben Lipz tapfer angegriffen, um borograwisches Staatsgebiet vom Feind zu befreien! Und
dann
haben es die verräterischen Rübenfresser erneut gestohlen…«
    Pollys Interesse erlahmte, als eine unmittelbar bevorstehende Enthauptung des Korporals weniger wahrscheinlich wurde. Sie wusste über Lipz Bescheid. Die Hälfte der alten Männer, die das Wirtshaus besuchten und mit ihrem Vater tranken, hatte am Angriff auf diesen Ort teilgenommen. Aber niemand hatte von ihnen erwartet, dass sie Lipz angreifen
wollten.
Sie waren einfach nur dem Ruf »Greift an!« gefolgt.
    Der Fluss Kneck war das Problem. Wie eine Schnur, die jemand achtlos fallen gelassen hatte, schlängelte er sich durch die weite, schlammige Ebene. Doch manchmal brachte eine plötzliche Überschwemmung oder auch nur ein umgestürzter Baum die Schnur peitschenartig in Bewegung, und dann entstanden Kneck-Knäuel meilenweit vom ursprünglichen Flussbett entfernt. Und der Fluss bildete

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