Weibliche Lust ohne Tabus
Brüste entfernt und später wieder plastisch aufgebaut. Auf die Frage, ob sie es vermisse, dass sie beim Sex von ihrem Partner an dieser erogenen Zone nicht mehr wirklich stimuliert und verwöhnt werden kann, antwortete sie mir, dass sie das Kneten, Streicheln und Lecken am Busen und den Brustwarzen ohnehin noch nie besonders erregt habe und sie das deshalb auch nicht als Verlust an der Lust empfände.
Umgekehrt habe ich bei Gesprächen mit Partnern von Brustkrebspatientinnen die Erfahrung gemacht, dass auch die Männer zu einem großen Teil den Sex mit ihrer Partnerin trotzdem sehr genießen, oft noch viel intensiver als vor der Operation, weil man sich zwangsläufig auf die gemeinsame Suche nach anderen erogenen Zonen auf der erotischen Landkarte begeben hat. In vielen Fällen hat das die Beziehung sogar noch gestärkt.
2. Der Kick des Neuen
Eine 36-jährige Patientin von mir hat ihren gut aussehenden, weltgewandten, gebildeten und charmanten Mann – noch dazu ein erfolgreicher Unternehmer – wegen eines unscheinbaren, einfachen Angestellten – auf den ersten Blick ein eher langweiliger Typ – verlassen. Sie sagt, dass sie sich nie hatte erklären können, warum ihr der Sex mit ihrem vermeintlichen »Traummann« nicht gefallen hat, bis sie eine Affäre mit dem »Neuen« hatte.
Es sei die Art und Weise seiner Berührungen, eine aufregend intensive Form der gegenseitigen Wahrnehmung und auch der Geschlechtsakt selbst, der einfach phantastisch sei. Ihr »Ex« könne im Prinzip gar nichts dafür, und ihre Freundinnen hielten sie für nicht ganz bei Trost. Aber sie ist sich sicher, dass sie ihre Entscheidung nicht bereuen wird.
3. Das erste Mal
Eine langjährige Patientin (60 Jahre alt) ist mit ihrem Mann seit 35 Jahren verheiratet. Kürzlich hatten sie zum ersten Mal Oralsex. Für beide war dies ein orgiastisches Erlebnis. »Ich hätte nie gedacht, dass mir das so gut schmecken würde«, beichtet sie mir schmunzelnd. Da die Kinder aus dem Haus sind, beide fast im Rentenalter sind und jetzt viel mehr Zeit für sich haben, wollen sie den Sex (zweimal pro Tag) jetzt noch mal ganz neu erkunden und mit allen Sinnen genießen.
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SEX IST KEIN DRAHTSEIL-AKT:
Lassen Sie sich lieber fallen
Lauernder Lustkiller: Die Erwartung
Kennen Sie den Sketch, bei dem ein Mann darum bemüht ist, seiner Angebeteten jeden Wunsch von den Augen abzulesen? Sie sitzt da in einem Café, ihm gegenüber, regungslos, mit weit aufgerissenen Augen. Er starrt hinein, ergreift ihre Hände und küsst sie. Worauf sie schmollend den Mund verzieht und schnippisch bemerkt: »Nein, ein Cappuccino wär’s gewesen …!« Manchmal sind Männer wirklich nicht zu beneiden.
»Frauen leben wie Minderjährige von ihren Erwartungen«, hat Oscar Wilde einmal gesagt. Dieser Vorwurf sei dem homosexuellen Dichter und Lebenskünstler verziehen. Aber: Hatte er damit wirklich so unrecht? Tatsächlich liegt es ja quasi seit der Steinzeit in der Natur der Frau, sich ihren Sexualpartner nach seiner Tauglichkeit als Jäger und Sammler, als Erzeuger und Versorger auszuwählen. Aber im 21. Jahrhundert hat sich daran nicht nur gesellschaftlich, sondern auch evolutionär einiges geändert. Die meisten Männer wollen und können nämlich in dieser Richtung gar keine Erwartungen mehr erfüllen. Und schon gar nicht die, die heute oft noch zusätzlich von ihnen ver langt werden: nämlich auch ein guter Psychologe, ein galanter Begleiter, ein versierter Modeexperte oder ein unkomplizierter Freizeitkamerad zu sein. Längst ist der Alltag voller karrierefi xierter Einzelgänger, voll von unverbindlichen Kuschel-Surfern, beherzten Hausmännern, silberhaarigen Aufreißern, verzweifelten alleinerziehenden Vätern, mediensüchtigen Autisten, geschiedenen Midlife-Krisen-Managern, intellektuellen Hartz-IV-Empfängern und pluralistisch veranlagten Monogamisten.
Von welchen Erwartungen können Frauen heutzutage eigentlich noch leben (egal ob minderjährig oder in den Wechseljahren)? Die meisten haben einen eigenen Beruf, sind in der Lage, eigenständig einkaufen zu gehen, können ihre Kinder notfalls auch alleine großziehen und brauchen keinen Jäger und Sammler, um ihr Leben bestreiten zu können. Kein einzelner Mann wäre in der Lage, in Personalunion all das zu verkörpern, was eine Frau von ihm erwartet. Mal ehrlich: Guter Sex ist zwar nicht alles, aber zumindest eine Grundvoraussetzung, ohne die gar nichts geht. Lust kann man durchaus erwarten und sich auch erfüllen. Für
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