Weibliche Lust ohne Tabus
Umleitungen über den Verstand. Zum Beispiel, wenn wir nach Herzenslust streiten, schlemmen oder kichern. Wenn wir einen Last-Minute-Flug buchen, um unsere Reiselust zu befriedigen. Wenn wir Musik laut aufdrehen und danach tanzen, weil uns gerade danach ist. Oder wenn wir die Tiefkühlpizza lassen, wo sie ist und uns stattdessen lieber die gefüllte Meerbarbe beim Lieblingsitaliener gönnen. Man bekommt plötzlich Lust auf eine Radtour, auf einen Bummel über den Flohmarkt, auf eine Engadiner Nusstorte oder darauf, den Balkon mit Blumen in kreischenden Farben zu bepflanzen. Lust hat immer etwas mit der Sehnsucht nach einem ganz besonderen Moment und nach einem sinnlichen Erlebnis zu tun.
Darum ist Lust auf Sex das natürlichste Bedürfnis der Welt, weil daran alle Sinne beteiligt sind. Was daraus in Zukunft wird, kann keiner wissen. Genuss lässt sich nicht vorwegnehmen. Wir können nicht wissen, wie ein Wein schmeckt, bevor wir ihn gekostet haben; wie ein Parfum duftet, bevor wir es gerochen haben oder wie uns ein Mann gefällt, bevor wir mit ihm geschlafen haben. Darum scheint es manchmal auch verlockender, spontan etwas Neues zu wagen oder einen fremden Lover auszuprobieren, als Sex mit dem eigenen Ehemann zu genießen. Das Motto: »Da weiß man, was man hat«, ist zuweilen nämlich nicht unbedingt auch gleichzeitig erotisierend. Es sei denn, man versteht sich darauf, auch nach einer langjährigen Beziehung aus jedem Augenblick ein einzigartiges Ereignis zu machen. Dabei hilft ein bisschen Kreativität.
Manchmal bekommt eine alltägliche Beziehung eine überraschende Wendung, indem sich Kleinigkeiten verändern. Servieren Sie Ihrem Liebsten den Eintopf zur Abwechslung mal in aufregenden Dessous. Überfallen Sie ihn, wenn er mit Einkaufstüten außer Gefecht gesetzt ist, mit intimen Berührungen im Kaufhaus-Fahrstuhl. Oder flirten Sie mal aufreizend in seinem Beisein mit einem anderen. Wie weit es mit der Kreativität Ihres Partners bestellt ist, werden Sie dann schon sehen … Vielleicht bricht er ja auch aus den Gewohnheiten des Alltags aus, fesselt Sie, bevor er Sie vögelt, serviert sein »bestes Stück« auf einem Silbertablett als leckeres Dessert, verstreut Rosenblüten aufs Bett oder verführt Sie bei einem Ausflug in den Tierpark in einem verlassenen Schuppen beim Streichelzoo. Wer weiß?
Aus jedem Augenblick mit einem Mann etwas Besonderes zu machen, trainiert darüber hinaus so etwas wie das erotische Gedächtnis. Denn: »Indem wir die Gegenwart gewahr werden, ist sie schon vorüber«, sagte die Schriftstellerin Christa Wolf. »Das Bewusstsein des Genusses liegt immer in der Erinnerung.« Davon kann man unter Umständen lange zehren, aber es sollte auch immer sorgfältig »gefüttert« werden, damit es präsent, spannend und verlockend bleibt. Jeder Augenblick ist einzigartig, unwiederholbar und sollte der Mittelpunkt der Welt sein. Das hat mit dem Wunsch nach einer emotionalen, dauerhaften Bindung zunächst gar nichts zu tun. Auch eine Prostituierte lernt das als Erstes. Denn wenn sie in dem Augenblick, in dem ein Mann seine Lust mit ihr ausleben will, nicht völlig präsent ist, hat sie eventuell einen gut zahlenden Freier verloren. Es geht also auch in diesem Metier um »Kundenbindung«.
Wahrer Genuss existiert nur im Hier und Jetzt. Dabei geht es um die ureigene Fähigkeit, spontanen Wünschen (beiderseits) nachzugeben, ohne nach dem Wieso und Warum zu fragen, kleinen alltäglichen Gegebenheiten immer wieder etwas ganz Besonderes abzugewinnen und sich ganz dem Augenblick hinzugeben. »Das Glück ist ein Schmetterling, angelockt vom Duft der stillen Blüte, die sich öffnend dem Augenblick verschenkt«, sagt der ganzheitliche Philosoph und Poet Andreas Tenzer. Und das funktioniert auch ganz praktisch.
Hingabe: Ein Geschenk an die eigene Lust
»Es ist ein großer Irrtum, wenn Du verkennst, dass Empfangen etwas ganz anderes ist als Entgegennehmen. Empfangen ist vor allem ein Geschenk, mit dem Du Dich selber hingibst«, hat Antoine de Saint-Exupéry einmal gesagt. Hingabe ist nicht nur eine spirituelle Fähigkeit, sondern auch eine körperliche. Eigentlich so etwas wie ein natürlicher Instinkt, der aber durch tausend gesellschaftliche und alltägliche Zwänge oft verschüttet ist. Und dies bei den Frauen in der Regel viel häufiger als bei den Männern. Immerhin haben laut Statistik 98 % der Männer beim Sex einen Orgasmus, bei den Frauen nur 33 %. Wir mögen das Wort »schwanzgesteuert« zwar
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