Weibliche Lust ohne Tabus
intakten Familie wichtiger als alles andere. Das lässt sich an keinem Alter festmachen. Manche wissen das mit 20 schon genau, andere erst mit 30, manche sind auch schon über 40. Den »richtigen Zeitpunkt« für ein Kind gibt es nie. Da kann man lange drauf warten. Ist man sehr jung, muss man vielleicht seine Ausbildung dafür abbrechen; wenn man beruflich erfolgreich ist, setzt man seine Karriere aufs Spiel; und wenn man zu lange gewartet hat, beginnt die biologische Uhr plötzlich immer lauter zu ticken. Zum Glück sind die Männer auch hierzulande inzwischen so weit emanzipiert, dass sich viele eine Elternzeit nehmen, damit beide Partner an der Erziehung des Kindes beteiligt sind, beide aber auch ihren beruflichen Weg fortsetzen können. In Schweden ist das schon seit vielen Jahren selbstverständlich – übrigens auch für die Arbeitgeber.
Es gibt natürlich auch viele ungewollte Schwangerschaften. Das kann problematisch sein. Aber wir wollen hier mal von Kindern ausgehen, die mit Lust und Liebe gezeugt werden. Und selbst dann kann eine Schwangerschaft manchmal die perfekteste Beziehung auf den Kopf stellen.
Jeder wird irgendwann zum ersten Mal Mutter bzw. Vater. Das verändert die Zweierbeziehung. Plötzlich gibt es da ein drittes Wesen, das uns Zeit, Hingabe und Verantwortung abfordert – und zwar für viele, viele Jahre. Außerdem haben wir dann oft Angst, aus Unerfahrenheit etwas falsch zu machen. Und auch die Erotik und der Sex ändern sich während einer Schwangerschaft. Da bestimmt die Natur zumeist das Geschehen. Im ersten Drittel haben Frauen oft keine Lust auf Sex, weil sie mit den Veränderungen in ihrem Körper mehr beschäftigt sind als mit allem anderen. Während bei Frauen dann im Verlauf der Schwangerschaft der Östrogenspiegel extrem erhöht ist und dieses Bruthormon die Lust auf Sex oft verstärkt, haben Männer oft Hemmungen, in die »Höhle des Löwen« einzudringen, den neuen »Bauchbewohner« zu stören und ziehen sich zum Leidwesen der Frau häufig zurück. Dabei kann gar nichts passieren. Das Baby schwimmt sicher und aufprallgeschützt wie der Insasse eines mit multiplen Airbags ausgerüsteten Automobils in der Fruchtblase mit dem Fruchtwasser. Vom Zielgebiet des erigierten Penis ist es weit entfernt, und Keime können ihm nichts anhaben.
Aufgrund der hormonellen Voraussetzungen und der extremen Empfindungsintensität behaupten übrigens viele Frauen, während der Schwangerschaft den besten Sex ihres Lebens gehabt zu haben. Also kein Grund für den Mann, seiner Lust nicht nachzugeben. Doch das kann sich im weiteren Verlauf ändern. Denn der Umstand, Eltern geworden zu sein, mindert möglicherweise deutlich die Lust auf Sex. Mancher Mann, der bei der Geburt des Babys dabei war, kann sich seiner Frau auf einmal nicht mehr in derselben Weise nähern wie zuvor. Blut, Schleim, geöffneter Muttermund und viele andere Details prägen dann oft Bilder im Kopf, die er nicht mehr so schnell loswird und die ihn seine Frau mit ganz anderen Augen sehen lassen. Das kann einerseits sehr beglückend und positiv für beide sein, sich aber auch ins Gegenteil verkehren. Darum ist es ganz normal, wenn nach der Geburt eine Phase sexueller Abstinenz eintritt.
Besonders bei der Frau steht in der ersten Zeit das Lustbarometer auf »Null«. Doch das ist ganz natürlich, weil bei ihr jetzt ein Hormonhaushalt vorherrscht, der auf »Nestbau« und »Aufzucht« ausgerichtet ist, unter anderem durch das Stillhormon Prolaktin (siehe Kapitel 5). Die sexuelle Lust kommt dabei in den folgenden Wochen und Monaten oft zu kurz, und der Vater sollte dafür Verständnis aufbringen. Wenn sich Stillen und Wickeln im Stundenrhythmus abwechseln und viele praktische und existentielle Dinge für den neuen Familienstand geregelt werden müssen, sind meist auch beide verständlicherweise zu müde für Sex. So ein Kind fordert eben seinen Tribut. Bei manchen Müttern geht die Lustlosigkeit nach der Geburt jedoch manchmal weit über diesen Zeitraum hinaus und kann dann durchaus behandlungswürdig sein. In der Regel aber normalisiert sich der Hormonhaushalt und damit die Libido nach einigen Monaten wieder.
Trotzdem kann ein Kind das Liebesleben der Eltern nachhaltig beeinflussen. Meist schläft das Baby zunächst im selben Zimmer, und sobald es den kleinsten Mucks macht, ist die vielleicht gerade aufkommende Erotik im Bett von Mama und Papa schon dahin. Mit Kleinkindern im Nachbarzimmer wird es auch nicht unbedingt leichter, denn
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