Weichei: Roman (German Edition)

Peter Silie? Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht versuchen, Bilder an die Wand zu nageln. Du sollst mich aufbauen und nicht bemitleiden. Außerdem gehen mir allmählich die Teamnamen aus. Hätte nicht gedacht, dass er überhaupt eine einzige Mannschaft kennt. Aber ein paar Kracher habe ich noch in der Hinterhand.
    Robert Süßemilch: »Robotron Sömmerda. Bauer C2  – C3. Na ja, ist auf jeden Fall schön, wieder tun und lassen zu können, was man will, ohne dass irgendjemand reinquakt. Das verstehst du doch am besten.«
    Peter_Mannheim: »BSG Landbau Bad Langensalza. Läufer H2  – H3, Schach. Warum sollte ich das verstehen?«
    Scheiße, den Läufer hatte ich glatt übersehen. Drum tippe ich es auch.
    Robert Süßemilch: »Scheiße, den Läufer hatte ich glatt übersehen. Bergmann Borsig Berlin. König A1  – A2. Wir sind doch jetzt so was wie Leidensbrüder. Beide Singles und frei wie die Vögel …«
    Peter_Mannheim: »BSG Chemie Buna Schkopau. H2  – H3.
Aber ich bin kein Single. Ich bin seit sechs Jahren mit Jessica zusammen.«
    Robert Süßemilch: »Äh, wie jetzt?«
    Peter_Mannheim: »Na halt so. Wir sind verlobt und heiraten in zehn Tagen. Aber nur standesamtlich. Jetzt bist du dran.«
    Robert Süßemilch: »Aber ich will nicht heiraten.«
    Peter_Mannheim: »Ich meine, du bist am Zug. Du stehst im Schach.«
    Zack, das geht runter wie ’ne Handvoll Nägel. Und schon sitze ich nicht mehr auf der Generations-Erfolgsleiter, sondern knie ehrfürchtig davor und blicke hinauf, wie Peter Silies Kondensstreifen an mir vorbeifliegen. Oder anders gesagt: Peter sitzt zwar in seinem Mannheimer Glashaus, hat aber immerhin seit sechs Jahren frische Gurken.
    Robert Süßemilch: »BSG Aufbau Krumhermersdorf. A4  – A5.«
    Die Namen meiner Teams gleichen sich mehr und mehr meiner Stimmungslage an. Aufbau kann ich jetzt gut gebrauchen, und krumm fühle ich mich auch.
    »Gratuliere, ich wünsch euch ’ne schöne Feier.«
    Peter_Mannheim: »Schifffahrt Hafen Rostock. E4  – E5. Es kommen nur ein paar Freunde, Familie und die Kinder.«
    Robert Süßemilch: »Kinder? BSG Empor Tabak Dresden. E5  – E6.«
    Ich fange wohl wieder an zu rauchen.
    »Du hast Kinder?«
    Peter_Mannheim: »ASG Vorwärts Stralsund. E5  – E6. Kathleen ist drei und Leon zehn. Er stammt aus meiner ersten Ehe. Du sitzt übrigens wieder im Schach.«
    Allerdings. Und wie ich im Schach sitze. Sozusagen im Lebensschach. Und nicht nur meinem König wird gerade das Blut sauer. Erste Ehe? Was zur Hölle passiert hier gerade?
    Robert Süßemilch: »BSG Halbleiterwerk Frankfurt/Oder. A4  – A6. – Sschhön …«
    Ich schaffe es sogar, beim Schreiben zu stottern.
    Peter_Mannheim: »BSG Mannsfeldkombinat Sangerhausen. Dame D12  – D13. Mensch, sorry, natürlich kannst du auch kommen. Wird halt nix Großes. Würde mich aber freuen, dich mal wieder zu sehen.«
    Robert Süßemilch: »Rotes Banner Trinwillershagen. C9  – C10. Danke, werde mal schauen, ob ich Zeit habe.«
    Momentan wäre ich wohl der schlechteste Gast für eine Hochzeitsparty. Als würde man einen frisch Armamputierten zum Skatspielen einladen.
    Peter_Mannheim: »BSG Traktor Groß-Lindow. Dame D13  – D4. Schach und matt! Überleg’s dir. Wird bestimmt lustig. Ich schreib dir mal ’ne Mail mit den Daten. Bis dann.«
    Robert Süßemilch: »Yep. Bis dann.«
     
    Ich sehe, wie sich ein Peter_Mannheim aus dem Chat verabschiedet. Und mit ihm mein letzter, treuer Versagerfreund. Willkommen, Robert, du bist das erste und einzige Mitglied im soeben gegründeten Versagerklub »BSG Single Abwärts Frankfurt e.V.«.

5
Natascha und die Geister, die ich rief
    T rotz der frühen Stunde entschließe ich mich dazu, erst mal zu Tante Trude ans Eck zu gehen und die neue Situation mit ein paar Bier zu überdenken. Nachdem ich mir ein Brot gemacht habe und es genüsslich verputze, schaue ich aus dem Küchenfenster nach draußen und kann es immer noch nicht fassen.
    Peter.
    Peter Silie.
    Peter, der nie was auf die Reihe bekommt.
    Von nun an Peter der Große.
    Unglaublich.
    Ich schüttele den Kopf und will mir meinen Schlüsselbund vom Fensterbrett nehmen, als ich sehe, wie eine Ameise sich an einem Krümel meines Brots zu schaffen macht. Nix da. Dir werde ich es zeigen. Wenigstens in meinen eigenen vier Wänden bin ich der Chef. Der Bestimmer. Der Imperator und Gesetzgeber. Mit meinem Handrücken lotse ich die Ameise auf ein Blatt Papier.
    »So, jetzt mache ich mit dir, was ich mit