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Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)

Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)

Titel: Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Schwindel, und nicht nur einer, der sich auf dem davonbrausenden Strom im Kreise drehte. Der Mondschein fiel auf die verschneiten Gipfel, die dunklen Wälder und die weißen, seltsamen Wolken, Gesichte der Nacht, Naturkräfte-Geister. Der Bergbauer sah ihre Scharen durch die Fensterscheibe, sie schwammen vor der Eisjungfrau her, die aus ihrem Gletscherschloß erschienen war und auf dem gebrechlichen Schiff einer ausgerissenen Tanne saß, um sich vom Gletscherwasser stromab zum offenen See tragen zu lassen.
    »Die Hochzeitsgäste kommen!« sauste und sang es in Luft und Wasser.
    Gesichte draußen, Gesichte drinnen. Babette hatte einen seltsamen Traum.
    Ihr war, als sei sie Rudys Frau, und das schon seit vielen Jahren. Während er auf der Gemsenjagd war, saß sie daheim, und der junge Engländer mit den vergoldeten Koteletten leistete ihr Gesellschaft. Seine Augen waren so warm, seine Worte hatten Zauberkraft, er gab ihr die Hand, und sie mußte ihm folgen, weg von zu Hause, immer bergab! – Babette spürte eine Bürde auf ihrem Herzen, die immer schwerer wurde, sie versündigte sich an Rudy, sie versündigte sich an Gott. Plötzlich war sie allein und verlassen, ihre Kleider waren von Dornen zerrissen, ihr Haar war grau, und als sie in ihrem Schmerz zum Felsenrand sah, erblickte sie Rudy. – Sie streckte die Arme nach ihm aus, wagte jedoch nicht, ihn zu rufen oder zu bitten, und das hätte ihr auch nichts genützt, denn wie sie bald erkannte, war er es gar nicht. Es war nur sein Alpenstock, behängt mit seiner Jägerjacke und seinem Hut, wie ihn die Jäger aufstellen, um die Gemsen zu täuschen. Und Babette jammerte in grenzenlosem Schmerz: »Oh, wäre ich doch an meinem Hochzeitstag, an meinem glücklichsten Tag gestorben! Herr, du mein Gott, es wäre eine Gnade, ein Lebensglück gewesen! Dann wäre das Beste geschehen, was mir und Rudy geschehen konnte! Keiner weiß seine Zukunft!« Und in gottlosem Schmerz stürzte sie sich in die tiefe Felsenkluft. Eine Saite zerriß, ein Trauerton erklang.
    Babette erwachte, der Traum war zu Ende – und ausgelöscht. Doch sie wußte, daß es etwas Schreckliches gewesen war, und der junge Engländer war ihr erschienen, an den sie seit ihrer letzten Begegnung vor mehreren Monaten nicht mehr gedacht hatte. Ob er sich wohl in Montreux aufhielt? Würde sie ihn bei ihrer Hochzeit sehen? Ein kleiner Schatten glitt über den feinen Mund, die Stirn runzelte sich, doch bald lächelten und leuchteten ihre Augen wieder – die Sonne schien so schön, und morgen hielt sie mit Rudy Hochzeit.
    Als sie in die Wohnstube kam, war er schon da, und bald ging es davon, nach Villeneuve. Sie waren so glücklich, die beiden und der Müller auch, er lachte und strahlte und war bester Stimmung; er war ein guter Vater, eine ehrliche Seele.
    »Jetzt sind wir die Herrschaft im Hause«, sagte die Stubenkatze.

XV. Das Ende
    E s war noch nicht Abend, da trafen die drei fröhlichen Menschen in Villeneuve ein und hielten ihre Mahlzeit. Der Müller setzte sich mit seiner Pfeife in den Lehnstuhl und machte ein Nickerchen. Die jungen Brautleute verließen Arm in Arm die Stadt und wanderten den Fahrweg unter den buschbewachsenen Klippen am blaugrünen, tiefen See entlang. Im klaren Wasser spiegelte sich das düstere Chillon mit seinen grauen Mauern und schweren Türmen; die kleine Insel mit den drei Akazien lag näher am Ufer und glich einem Blumenstrauß auf dem See.
    »Dort drüben muß es zauberhaft sein«, sagte Babette, und wieder wollte sie so gern dorthin, und ihr Wunsch ließ sich sogleich erfüllen. Ein Boot lag am Ufer und war nur recht lose vertäut. Da niemand zu sehen war, den sie hätten um Erlaubnis bitten können, setzten sie sich ohne weiteres hinein, Rudy verstand wohl zu rudern.
    Wie Fischflossen schnitten die Riemen durch das fügsame Wasser, das so nachgiebig ist und doch so stark; es ist ein ganzer Rücken, um zu tragen, ein ganzer Mund, um zu schlucken, milde lächelnd, die Sanftmut selbst und doch furchterregend und von großer Zerstörungskraft. Das Kielwasser schäumte, in wenigen Minuten hatte das Boot die Insel erreicht, und sie stiegen an Land. Hier war nicht mehr Platz als für ein Tänzchen.
    Rudy schwenkte Babette zwei-, dreimal herum, dann setzten sie sich auf eine kleine Bank unter hängenden Akazienzweigen, sahen sich in die Augen und hielten sich bei den Händen. Alles ringsum erstrahlte im Glanz der sinkenden Sonne. Die Tannenwälder auf den Bergen färbten sich rotlila wie

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