Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)
alles aufs beste auf. Und als sie mit Kochen fertig war und die Sachen ihrer Brüder zurechtgemacht hatte, setzte sie sich selber hin und aß, legte dann ihren Löffel auf den Tisch und kroch unter das Bett des jüngsten Bruders.
Bald darauf hörte sie ein gewaltiges Sausen in der Luft, und auf einmal kamen zwölf wilde Enten geflogen, die sich aber, sobald sie über die Türschwelle kamen, augenblicklich in die Prinzen, ihre Brüder, verwandelten. »Ach, wie gut hier alles aufgeräumt und wie es hier so schön warm ist!« sagten sie. »Gott lohne dem, der uns die Stube so schön geheizt und so herrliches Essen für uns gekocht hat!« Und mit diesen Worten nahm jeder seinen silbernen Löffel, um damit zu essen. Aber nachdem jeder den seinigen genommen hatte, blieb doch noch einer zurück, und der war den ihrigen so ähnlich, daß sie ihn nicht davon unterscheiden konnten. Da sahen die Prinzen einander an und verwunderten sich sehr. »Das ist der Löffel unserer Schwester«, sagten sie, »und ist der Löffel hier, so kann sie selber auch nicht weit sein.«
»Ist es unsere Schwester, und sie findet sich hier«, sagte der älteste Prinz, »so soll sie sterben, denn sie ist schuld an all unserm Unglück.«
»Nein«, sagte der jüngste Prinz, »es wäre Sünde, sie zu töten. Sie kann ja nichts dafür, daß wir Übles erdulden. Sollte jemand daran schuld sein, so ist es niemand anders als unsere eigene Mutter.«
Sie fingen nun an ihre Schwester zu suchen, und als sie zu dem Bett des jüngsten Prinzen kamen, fanden sie die Prinzessin und zogen sie hervor. Der älteste Prinz verlangte erneut, daß sie getötet werden müsse. Aber sie bat inständig und sagte: »Ach, tötet mich doch nicht! Ich bin viele Jahre lang herumgewandert, um euch aufzusuchen, und wenn ich euch erlösen könnte, wollte ich gern mein Leben dafür lassen.«
»Ja, wenn du uns erlösen willst«, sagte der Älteste, »so sollst du das Leben behalten. Denn du kannst uns erlösen, wenn du willst.«
»Ja«, antwortete die Prinzessin, »sagt mir nur, wie ich es machen soll, dann will ich alles tun, was ihr verlangt.«
»Dann mußt du die Dunen von der Butterblume sammeln und mußt sie kratzen und spinnen und weben, und wenn das Gewebe fertig ist, mußt du es zuschneiden und zwölf Mützen, zwölf Hemden und zwölf Halstücher davon machen, für jeden von uns ein Stück; aber solange du damit beschäftigt bist, darfst du weder sprechen noch weinen noch lachen. Kannst du das, so sind wir erlöst.«
»Wo soll ich aber die vielen Dunen zu all den Hemden, Mützen und Tüchern herbekommen?« fragte die arme Prinzessin. »Das sollst du schon erfahren«, antworteten die Prinzen und führten sie hinaus auf eine große, große Wiese. Da standen so viele Butterblumen mit weißen Dunen, die nickten im Winde und glänzten im Sonnenschein, daß man den Glanz schon weit in der Ferne sehen konnte. Noch nie zuvor hatte die Prinzessin so viele Butterblumen gesehen, und sie fing sogleich an zu pflücken und zu sammeln, so viel sie nur fortschaffen konnte. Als sie am Abend nach Hause kam, begann sie sogleich die Dunen zu kratzen und Garn davon zu spinnen. So fuhr sie eine Zeitlang fort. Sie sammelte und kratzte jeden Tag die Dunen der Butterblumen und wartete dabei zugleich den Prinzen auf, kochte für sie und machte ihnen die Betten. Und jeden Abend kamen ihre Brüder als wilde Enten nach Hause geflogen, denn des Nachts waren sie Prinzen, des Morgens aber flogen sie wieder als wilde Enten davon.
Als die Prinzessin wieder einmal auf die Wiese gegangen war, um sich Dunen von der Butterblume zu sammeln – wenn ich nicht irre, so war es das letzte Mal, daß sie welche sammeln wollte –, geschah es, daß der junge König, der das Land regierte, auf der Jagd an der Wiese vorbeiritt. Als er die Prinzessin erblickte, wunderte er sich sehr über die schöne Jungfrau, hielt still und redete sie an. Da er keine Antwort von ihr erhielt, wurde seine Verwunderung noch größer, und weil ihm das Mädchen so wohlgefiel, wollte er sie mit sich auf sein Schloß führen und sie zu seiner Gemahlin nehmen. Er gab daher seinen Dienern Befehl, sie auf sein Pferd zu setzen; die Prinzessin aber rang die Hände und deutete auf die Säcke, worin sie ihre Arbeit hatte; und als der König begriffen hatte, was sie meinte, so befahl er seinen Dienern, auch die Säcke mit aufzuladen. Als das geschehen war, gab die Prinzessin sich nach und nach zufrieden; denn der König war ein sehr schöner Mann
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