Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)
sie endlich beschloß, noch einen Tag beim Vater zu verleben.
Am Abende des dritten Tages steckte sie erst das Ringlein an ihren Finger und schlief unter wehmütigen Gefühlen ein. Als sie am folgenden Tag erwachte, war sie im Schlosse des Bären. Sie stand nun auf und wollte zu ihrem Herrn gehen, um ihn zu begrüßen. Sie ging deshalb in sein Zimmer, das war aber leer. Dann suchte sie das Schloß durch von oben bis unten, konnte aber den Bären nirgends finden. Da ward sie sehr traurig, denn sie hatte das gute Tier liebgewonnen. Sie beschloß deshalb, noch einmal das ganze Schloß zu durchsuchen, um den Bären zu finden – und sie tat es.
Da fand sie ihn endlich unter dem Brunnentrog, wo er wie halbtot lag. Sie zog ihn heraus, streichelte den Braunpelz und fragte ihn, warum er in diesem traurigen Zustand sei. Da antwortete er: »Ich habe schon gemeint, daß du nicht mehr kommen werdest, und darüber bin ich fast verzweifelt.« Als die Kaufmannstochter dies hörte, hatte sie noch größeres Mitleid mit ihm, streichelte ihn und sprach: »Sei nur nicht verzagt! Ich will immer bei dir bleiben und werde dich nie mehr verlassen, denn du bist mein Schatz.« Wie der Bär diese Rede hörte, sprang er hocherfreut auf und brummte: »Wenn ich dein Schatz bin, mußt du mich so lange schlagen, bis mir die Haut vom Leibe fliegt.« Dagegen sperrte sich die Jungfrau lange, doch endlich gab sie den Bitten nach und nahm eine Peitsche, die in der Nähe war. Diese schwang sie so kräftig, daß bald Hautfetzen vom Bären davonflogen. Auf die Bitte des Bären schlug sie immer und immer wieder zu, daß die Hiebe sangen. Als die Haut fast ganz weggepeitscht war, stand plötzlich ein wunderschöner Jüngling vor ihr. Er eilte auf sie zu, umarmte sie und dankte ihr für seine Erlösung. Dann führte er sie in das Schloß zurück und hielt mit ihr eine gar lustige Hochzeit. Dabei diente das alte Gesinde, das zugleich mit dem Herrn vom Zauber erlöst worden war. Die gute Kaufmannstochter war nun eine steinreiche Rittersfrau und hatte mit ihrem Mann ein gar herrliches Leben.
Nikolaus im Walde
Es rauscht der Wind im Winterwalde
durch die kühle, graue Flur
und ein jeder hofft – schon balde,
find er St. Nikolauses Spur.
Ach, wann wird er endlich kommen,
dieser heiß ersehnte Gast?
Kinder blicken teils benommen
von Baum zu Baum, von Ast zu Ast.
In den Blicken heißes Sehnen,
Fragen, was wird dann geschehn?
Und mancher tut schon mal erwähnen:
»Ich hab St. Nikolaus geseh’n«.
Langsam neigt der Tag sich nieder,
die Winternacht, sie steigt herauf,
als ein leises Raunen wieder;
stoppt der Kinder frommen Lauf.
Da aus dunstigem Gefilde
steigt wie eine Nebelnacht,
ein stilles, schattiges Gebilde;
und die Dämmerung ist erwacht.
Kinderblicke werden helle
die Gesichter sind verzückt,
als Niklaus an der Tagesschwelle,
tritt in ihren Sehnsuchtsblick.
Du guter alter Nikolaus,
Du Freund der Kinder nah und fern,
leer Deinen Sack heut’ bei uns aus,
wir alle haben Dich so gern.
Die Rekkenk
(Sibirisches Volksmärchen)
E inst lebte ein Volk von Rekkenk (böse Geister), die viele Rentiere besaßen. Einer von ihnen wollte die Menschen besuchen und sagte zu seiner Frau: »Wir wollen zu den Menschen gehen.« Das Wetter war kalt, seine Frau erwiderte daher: »Es ist kalt.« Er aber sprach: »Es schadet nichts; laßt uns gehen, wenn wir richtige Jäger sind. Natürlich werden wir die Herde, die Hirten sowie das schwere Zelt hierlassen. Wir wollen nur ein leichtes Zelt mitnehmen, wenn wir sie besuchen.«
So machten sie sich denn auf die Fahrt. Das obere Wesen sah, wie sich der lange Zug ihrer Schlitten dahinbewegte. Da sprach es: »Oh, wie wunderbar, sie sind schon wieder dabei, die Menschen zu töten. Die Menschen bitten mich immerfort um Hilfe, doch werden sie immer noch umgebracht. Das bekümmert mich, daher will ich wenigstens diesem einen bösen Geiste eine Lehre erteilen.«
Damit nahm er seinen Stab und ging davon. Die Rekkenk und seine Frau waren unterwegs eingeschlafen. Das obere Wesen kam zu einem bedeckten Schlitten und hob die Decke auf, da sah er darunter ein kleines Kind schlafen, das etwa ein Jahr alt sein mochte und in einer kleinen Mütze lag. An deren Spitze war eine Troddel aus menschlichen Fingern befestigt. Er berührte die Troddel mit seinem Stabe, und die Finger klebten daran fest. Er nahm darauf das Kind fort und brachte es zu seiner Frau.
»Siehst du, ich habe es hergebracht«, sagte er.
»Es ist gut.«
»Aber was sollen
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