Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)
Maruschka. »Es ist nicht an der Zeit, Veilchen zu suchen, wenn Schnee liegt«, sagte der Eismonat.
»Ich weiß wohl«, entgegnete Maruschka traurig, »allein Schwester Holena und die Stiefmutter haben mir befohlen, Veilchen aus dem Walde zu bringen. Bringe ich sie nicht, so schlagen sie mich tot. Bitte schön, ihr Hirten, sagt mir, wo ich welche finde!«
Da erhob sich der Eismonat, schritt zu dem jüngsten Monat, gab ihm den Stab in die Hand und sprach: »Bruder März, setz dich obenan!« Der Monat März setzte sich obenan und schwang den Stab über dem Feuer. In dem Augenblick loderte das Feuer höher, der Schnee begann zu tauen, Bäume trieben Knospen, unter den Buchen grünte Gras, in dem Gras keimten bunte Blumen, und es war Frühling. Unter Gesträuch verborgen blühten Veilchen, und eh sich Maruschka versah, gab es so viele, als ob jemand ein blaues Tuch ausgebreitet hätte. »Schnell, Maruschka, pflücke!« gebot der März. Maruschka pflückte freudig, bis sie einen großen Strauß beisammen hatte. Dann dankte sie den Monaten und eilte froh nach Hause. Holena wunderte sich, auch die Stiefmutter wunderte sich, als sie Maruschka mit dem großen Veilchenstrauß sahen. Sie gingen, um ihr die Tür zu öffnen, und der Duft der Veilchen verbreitete sich in der ganzen Hütte. »Wo hast du sie gepflückt?« fragte Holena ungläubig. »Hoch auf dem Berge, dort wuchsen sie bündelweise«, erwiderte Maruschka. Holena nahm die Veilchen, steckte sie hinter den Gürtel, roch an ihnen und ließ die Mutter riechen. Zur Schwester sagte sie nicht einmal: »Riech auch!«
Des andern Tages saß Holena gelangweilt am Ofen, und sie hatte großen Hunger auf Erdbeeren. »Geh, Maruschka, bring mir Erdbeeren aus dem Walde!« befahl Holena der Schwester.
»Ach Gott, liebe Schwester, wo werde ich Erdbeeren finden! Habe nie gehört, daß unter dem Schnee Erdbeeren wüchsen«, versetzte Maruschka.
»Du nichtsnutziges Ding, du widersprichst, wenn ich befehle? Gleich geh in den Wald, und bringst du keine Erdbeeren, wahrlich, so schlag ich dich tot!« drohte die böse Holena.
Die Stiefmutter faßte Maruschka, stieß sie zur Tür hinaus und schloß diese fest hinter ihr zu. Das Mädchen ging bitter weinend in den Wald. Der Schnee lag hoch, nirgends war ein Fußstapfen zu sehen. Die Arme irrte, irrte lange herum: Hunger plagte sie, Kälte schüttelte sie. Da gewahrte sie in der Ferne dasselbe Feuer, das sie den Tag zuvor gesehen hatte. Frohen Mutes eilte sie darauf zu, und wieder kam sie zu dem großen Feuer, um das die zwölf Monate saßen. Der Eismonat saß obenan. »Liebe Leute, erlaubt mir, daß ich mich am Feuer wärme, Kälte schüttelt mich«, bat Maruschka. Der Eismonat nickte mit dem Haupt und fragte: »Warum bist du wieder gekommen, was suchst du?«
»Ich suche Erdbeeren«, entgegnete Maruschka.
»Es ist nicht an der Zeit, Erdbeeren zu suchen, wenn Schnee liegt«, sagte der Eismonat.
»Ich weiß wohl«, antwortete Maruschka traurig, »allein Schwester Holena und meine Stiefmutter haben mir befohlen, Erdbeeren zu bringen. Bringe ich keine heim, so schlagen sie mich tot. Bitte schön, ihr Hirten, sagt mir, wo ich welche finde!«
Der Eismonat erhob sich, schritt zum Monat, der ihm gegenüber saß, gab ihm den Stab in die Hand und sprach: »Bruder Juni, setz dich obenan!« Der schöne Monat Juni setzte sich obenan und schwang den Stab über dem Feuer. In dem Augenblick schlug die Flamme hoch empor, der Schnee zerschmolz alsbald, die Erde grünte, Bäume umhüllten sich mit Laub, Vögel begannen zu singen, eine ganze Blumenpracht erfüllte den Wald, und es war Sommer. Weiße Sternlein gab es, als ob sie jemand dahin gesät hätte. Sichtbar aber verwandelten sich die weißen Sternlein in Erdbeeren, die schnell reiften, und ehe sich Maruschka versah, gab es so viele in dem grünen Rasen, als ob jemand Blut ausgegossen hätte. »Schnell, Maruschka, pflücke!« gebot der Juni. Maruschka pflückte eifrig, bis sie die Schürze voll hatte. Dann dankte sie den Monaten schön und eilte froh nach Hause.
Holena wunderte sich, auch die Stiefmutter wunderte sich, als sie sahen, daß Maruschka Erdbeeren brachte und noch dazu die ganze Schürze voll! Sie liefen, um ihr die Tür zu öffnen, und der Duft der Erdbeeren verbreitete sich in der ganzen Hütte.
»Wo hast du sie gepflückt?« fragte Holena mißtrauisch.
»Hoch auf dem Berg, dort wachsen genügend unter den Buchen«, erwiderte Maruschka.
Holena nahm die Erdbeeren, aß sich satt und
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